Kulturgeschichte
Mittelalterliche Legenden rund um Diamanten
Februar 28, 2018
Diamanten übten schon immer eine besondere Faszination auf Menschen aus. Ihre unvergleichliche Strahlkraft macht sie zu "a girl's best friend" und dank ihre unerreichte Härte sind sie auch für die Industrie sehr wertvoll. Auch im Mittelalter waren die Menschen wie magisch angezogen von Diamanten. Denn um den Edelstein rankten sich viele Legenden und Mythen.
Diamanten - schon im Mittelalter eine begehrte Kostbarkeit! |
Das wusste man im Mittelalter über Diamanten
Das mittelalterliche Wissen über Diamanten basierte auf antiken Quellen. Die griechischen Autoren der Antike hatten ihr Wissen wiederum aus Indien, dem Herkunftsland der Diamanten.Die wichtigste Quelle aus der Antike ist das Naturkunde-Buch von Plinius dem Älteren aus dem 1. Jh. nach Christus. Darin sammelte Plinius die im bekannten Eigenschaften der Diamanten:
- Seltenheit: Die Edelsteine sind sehr selten und teuer, weshalb nur mächtige Herrscher einen der wenigen Steine besitzen.
- Härte: Dank seiner enormen Härte kann der Diamant jeden anderen Stein schneiden. Selbst mit Hammer und Amboss kann ein Diamant nicht zerschlagen werden. Einzig und allein warmes Blut eines Bocks kann den Diamanten zerstören.
- Heilkräfte: Der Diamant entfaltet auch eine medizinische Wirkung indem er Vergiftungen heilen kann und gegen Angst, Wahnsinn und Gespenster hilft.
Aufgrund seiner Härte nannten die Griechen den Stein Adamas ("unbezwingbar"). Daraus wurde im Lauf der Zeit dann der Deutsche Name Diamant.
Eine weitere wichtige Quelle für das mittelalterliche Wissen über Diamanten war der "Physiologus" aus dem 2./3. Jh. nach Christus. In diesem Werk werden Tiere, Pflanzen und Steine beschrieben und als christliche Symbole gedeutet. Der Diamant wurde aufgrund seiner Härte als Symbol für Standfestigkeit gedeutet. Ebenso wie der Diamant nicht durch Gewalt gebrochen werden kann, sollten Märtyrer allen Prüfungen und Leiden widerstehen.
In späteren Jahrhunderten brachten Reisende wie Marco Polo, Niccolo di Conti und Jwan Mandeville zusätzliches Wissen über Diamanten aus der arabischen und indischen Welt mit nach Europa. Gelehrte wie Marbod (12. Jh.), Arnoldus von Sachsen (13. Jh.) und Volmar (13. Jh.) sammelten die Legenden und Mythen rund um Diamanten in sogenannten Steinbüchern (Lapidarien).
Auf seinen Reisen sammelte Marco Polo neues Wissen und traf illustre Persönlichkeiten - wie zum Beispiel Kublai Khan, einen Enkel von Dschingis Khan. (Abbildung: BnF, Francais 2810, Marco Polo, Le Livre des merveilles, 15. Jh., fol. 2v.) |
Die Legende vom Schlangental
In den Märchen aus 1001 Nacht (9. Jh.) strandet Sindbad auf einer Insel und lässt sich dort von einem gigantischen Vogel davongetragen. Der Vogel setzt Sindbad auf einem hohen Berg aus, von wo der Seefahrer ein Tal überblicken kann. Der Boden des Tals ist übersät von Diamanten und Schlangen. Voller Furcht wandert Sindbad durch das Schlangental:
Auf einmal fiel ein geschlachtetes Tier vom Berge herab. Als ich dies sah, fiel mir ein, was mir früher ein Kaufmann erzählt hatte: Es gibt einen Berg von Diamantstein, der aber so hoch ist, daß ihn niemand besteigen kann, die Kaufleute gebrauchen aber eine List, um sich Diamantsteine zu verschaffen. Sie schlachten ein Lamm, ziehen ihm die Haut ab und werfen das Fleisch in das Tal, so daß Steine an dem frischen Fleisch hängen bleiben. Wenn dann die Adler dieses Fleisch nehmen und damit auf die Höhe fliegen, so gehen die Landsleute auf die Adler los und zwingen sie durch starkes Geschrei, davonzufliegen und das Fleisch im Stich zu lassen, worauf die Kaufleute die Diamanten von den Fleischstücken lösen und mitnehmen, und das Fleisch den Raubtieren überlassen. Sie bedienen sich dieser List, weil es kein anderes Mittel gibt, um Diamanten und Magnetsteine zu gewinnen. (Tausend und eine Nacht Arabische Erzählungen. Übersetzt von Dr. Gustav Weil, 1865)
Diese Legende lieferte den Lesern eine gute Begründung dafür, dass Diamanten so überaus selten waren.
Die Kunst, einen Diamanten so zu schleifen und zu polieren, entwickelten Steinmetze erst im 14. Jahrhundert. |
Die magischen Kräfte des Diamanten
Diamanten wurden im Mittelalter noch nicht geschliffen wie heute, denn diese Technik wurde erst im Spätmittelalter entwickelt. Um 1330 wird erstmals davon berichtet, dass in Venedig Diamanten geschliffen und poliert wurden. Dennoch trugen Menschen im Mittelalter Diamanten am Körper - nicht als Schmucksteine, sondern als Talisman.
Denn ein Diamant konnte (so glaubte unter anderem Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert) den Träger vor allerhand Gefahren schützen. Etwa vor den Versuchungen des Teufels, aber auch vor Geistern. Darüber hinaus konnte das Tragen eines Diamanten dem Träger auch Erfolg, Glück und Gesundheit sichern, wie Volmar um 1250 in seinem Steinbuch schrieb:
Auch im Kampf war der Diamant hilfreich: Er konnte seinen Träger unbesiegbar machen, wie es im Buch über Edelsteine (Liber de Gemmis) des Marbod von Rennes aus dem 11. Jh. heißt:"Wenn einer den Diamant an seiner linken Hand trägt, der hat Erfolg bei den Leuten, und selbst wenn einer ihm Übles wünschte, der vermag ihm keinen Schaden anzutun, solange er den Fingerring trägt. Dann hat er Glück und Gesundheit, und Träume, die ihm schaden können, wird er nicht mehr haben. Und wenn eine Frau, die ein Kindlein trägt, den Stein besitzt, die kann sich dessen sicher sein, dass ihr kein Schaden entsteht, solange sie den Fingerring hat." (Zit. nach Schneider, S. 345)
„Für magische Künste geeignet hält man denselben Stein (Adamas), seinen Träger macht er unbezwingbar aufgrund wunderbarer Kraft; und die Lemuren der Nacht und eitle Träume verscheucht er. Scheußliche Gifte verjagt er, Streitereien und Zänkereien verwandelt er. Die Kranken heilt er, und die harten Feinde schlägt er zurück. In Silber oder Gold eingefasst soll er getragen werden, und eine leuchtende Armspange soll hier den linken Oberarm umfassen.“ (Zit. nach Schneider, S. 345)
Sogar die Treue einer Ehefrau konnte mit Hilfe eines Diamanten getestet werden. Das glaubte zumindest Bartholomaeus Anglicus (1190-1250) zu wissen:
„Dieser Stein wird auch „Edelstein der Versöhnung und der Liebe“ genannt; wenn nämlich eine Frau mit ihrem Mann im Streit liegt, erhält sie durch die Kraft des Diamanten leichter die Gunst des Mannes zurück. [...] auch könne man ganz genau erfahren, wenn ein echter Diamant unter den Kopf einer schlafenden Ehefrau gelegt werde, ob sie ihrem Gatten treu sei. Wenn sie treu ist, werde sie durch die Kraft des Steines gezwungen, im Schlaf ihren Gatten zu umarmen. Wenn sie aber untreu gewesen sei, werde sie plötzlich von ihm zurückspringen und gleichsam durch die Gewalt des Steines als unwürdige Frau aus dem Bett fallen.“ (Zit. nach Schneider, S. 346)
Auch diesen Ring der Medici aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts ziert ein Diamant. (Abbildung: British Library, Harley 5761, f. 10v.) |
Wie kann ein Diamant zerstört werden?
Die Gelehrten im Mittelalter übernahmen meist unkritisch das Wissen über Diamanten, das sie bei Plinius dem Älteren vorfanden. Auch der Mythos, ein Diamant könne nur durch Bockblut oder Blei zerstört werden, wurde nicht hinterfragt. Ein Beispiel, wie solche Legenden auch literarisch genutzt wurden ist der "Parzival" von Wolfram von Eschenbach aus dem 13. Jahrhundert.In diesem höfischen Versroman wird von Gahmuret berichtet, der im Morgenland für den Kalifen von Bagdad kämpf und sich mit einem Helm aus Adamas schützt. Doch ein Feind schüttet Bocksblut über den Helm, der daraufhin seine enorme Härte verliert. Genau an dieser Schwachstelle wird Gahmuret kurz darauf tödlich verletzt und stirbt.
Kritik an den antiken und mittelalterlichen Legenden
Heute wissen wir, dass viele dieser Legenden nicht zutreffen. Diamanten sind zwar sehr hart, doch aufgrund ihrer Kohlenstoffstruktur auch spröde. Mit einem Hammer kann ein Diamant also durchaus in mehrer Teile zerschlagen werden. Auch große Hitze kann einen Diamanten zerstören. Was die Legende vom Bockblut betrifft, hatte bereits der mittelalterliche Gelehrte Roger Bacon im 13. Jahrhundert mit Experimenten gezeigt, dass Bockblut einen Diamanten in keiner Weise verändern kann.Erst mit den Forschungen von Garcia da Orta (1499-1568), dem Leibarzt des portugiesischen Vizekönigs von Indien, fanden viele Legenden und Mythen rund um Diamanten ihr Ende. Ab der Frühen Neuzeit wurden Diamanten zunehmend wegen ihrer Schönheit und ihrer Strahlkraft geschätzt. Anders im Mittelalter. Damals galt für einen Diamanten: "Sein wahrer Wert bestand in seiner (ihm zugedachten) magischen und mythischen Kraft." (Schneider, S. 349)
Doch noch im 16. Jahrhundert nahm zum Beispiel Georg Agricola (1494-1555) in einem Handbuch über Edelsteine die Legende vom Bockblut unkritisch auf. Er behauptete sogar, auch Löwenblut hätte einen zerstörerischen Effekt auf Diamanten. Das brachte wenige Jahre später den neapolitanischen Arzt und Gelehrten Giambattista della Porta (1535-1615) zu der ironischen Frage, ob denn auch das Blut von Eseln oder Kamelen einen Diamanten zerstören könne.
Noch heute ist der Begriff Adamas mit einem besonders harten Material verbunden. Das mit Adamantium verstärkte Skelett von Wolverine ist nur ein Beispiel aus der Popkultur. Hier griffen die Autoren gezielt auf eine jahrtausendealte Wissenstradition über Diamanten und ihre besonderen Eigenschaften zurück.
Literatur zu Diamanten im Mittelalter
G. Jüttner: Art. „Diamant“. In: Lexikon des Mittelalters. 10 Bände, Stuttgart, 1977-1999, Bd. 3, col. 967, in Brepolis Medieval Encyclopaedias - Lexikon des Mittelalters Online.Schneider, Horst: Diamanten im Mittelalter. In: Das Mittelalter 21(2) (2016), S. 332-349.
3 Kommentare
Quasi mittelalterliche Alleskönner diese Diamanten. Ein sehr lesenswerter Artikel.
AntwortenLöschenWie praktisch, dass die so selten waren. Also für Plinius zumindest. Sonst hätte in 1200 Jahren danach ja noch jemand auf die Idee kommen können, die Geschichte mit dem Bockblut mal zu testen. :p
AntwortenLöschenHaha, das stimmt! Wer will schon riskieren, dass die Nummer mit dem Bockblut am Ende doch klappt! :D
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