Tod auf dem Schlachtfeld: König Manfred von Sizilien

Krieg war im Mittelalter nicht nur eine Möglichkeit für den Herrscher, seinen politischen Willen durchzusetzen, sondern auch vor...

Krieg war im Mittelalter nicht nur eine Möglichkeit für den Herrscher, seinen politischen Willen durchzusetzen, sondern auch vor allem ein direktes Betätigungsfeld des Königs. Egal ob als militärischer Anführer am Rande des Geschehens oder als aktiver Kämpfer im Zentrum der Schlacht - nahezu alle Monarchen haben im Mittelalter militärische Unternehmungen geplant, angeführt oder direkt an ihnen als Kämpfer teilgenommen.

Wirft man einen genaueren Blick auf die mittelalterlichen Geschichtswerke und Briefe, die von Königen als Krieger berichten, dann offenbart sich eine deutliche Diskrepanz zwischen dem, was die Quellen schildern und dem, was sich realistischerweise zugetragen haben dürfte. Diese Diskrepanz wird nicht nur bei der Beschreibung von kämpfenden Königen deutlich, sondern auch bei der Schilderung von Todesfällen mittelalterlicher Könige in der Schlacht.

Den Gründen für diese Diskrepanz zwischen historischem Geschehen und schriftlicher Darstellung will ich heute am Beispiel des Todes König Manfreds von Sizilien in der Schlacht von Benevent am 26. Februar 1268 nachgehen.

König Manfred von Sizilien stirbt in der Schlacht von Benevent. (Abbildung: Bibl. Sainte-Geneviève, ms. 1126, f. 047v via Wikimedia Commons.)

Der König als Krieger: Im Spannungsfeld von Geschehen und Darstellung

In den mittelalterlichen Quellen erscheint der König als Krieger oft als omnipotenter, strahlender Held. So zum Beispiel im Carmen de bello Saxonico, in dem über König Heinrich IV. in der Schlacht an der Unstrut im Jahr 1075 berichtet wird:

So kämpften beide Heere mit wildem Grimm,
als der tapfere König plötzlich mit dichtgedrängter Schar
sich mitten in die Feinde warf, niedertretend die Scharen
der gottesschänderischen Sachsen, die sich ihm zögernd entgegenstellten.
Wie ein Blitz fuhr der König dahin, schimmernd in herrlichen Waffen,
und streckte viele Tausend des eidbrüchigen Volkes nieder.
Und wie der leichte Staub durch den Hauch des Windes,
so zerstob auch das ganze Heer vor dem Anblick des Königs.

(Carmen de bello Saxonico, MGH SS rer. Germ. 17, lib. III, v. 166-173. Übersetzung: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV., übersetzt von Franz Josef Schmale / Irene Schmale-Ott, 4. Auflage, Darmstadt 2000, S. 183 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 12).

Solchen in den mittelalterlichen Quellen weit verbreiteten Darstellungen vom heldenhaft kämpfenden König steht allerdings der Fakt gegenüber, dass nur sehr wenige Könige Lateineuropas im Mittelalter den Tod auf dem Schlachtfeld fanden. Diese Diskrepanz lässt sich kaum durch die bessere Rüstung von Königen oder durch ihren zusätzlichen Schutz in Form einer Leibgarde erklären.

Ganz offensichtlich gibt es in den historischen Quellen zum kämpfenden König eine Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen dem Geschehen (also der Handlung, die plausibler Weise so tatsächlich stattgefunden haben dürfte) und der Darstellung (also der schriftlichen Wiedergabe des Geschehens durch Autoren, die mit ihren Texten eine bestimmte Absicht und Wirkung verfolgten).

Diese Diskrepanz - die man gerne auch als Form der Legendenbildung bezeichnen kann - tritt nicht nur bei kämpfenden Königen zu Tage, sondern auch bei der Art und Weise, wie Könige auf dem Schlachtfeld starben und wie später darüber in Texten berichtet und diskutiert wurde.

Der Tod König Manfreds von Sizilien

Nach dem Tod Kaiser Friedrichs II. im Jahr 1250 entbrannte in Süditalien ein Konflikt um die Nachfolge als Herrscher über Sizilien. Manfred, ein illegitimer Sohn Friedrichs, setzte sich an die Spitze der staufischen Partei auf der Insel und ließ sich 1258 zum König von Sizilien erheben. Dabei überging er nicht nur die Ansprüche seines Neffen Konradin, sondern kam auch in Konflikt mit den Päpsten, die den Staufern weiterhin feindlich gegenüberstanden.

Papst Clemens IV. wollte die Fortsetzung der staufischen Herrschaft über Sizilien in Person von Manfred nicht hinnehmen und unterstützte ab 1265 die Ansprüche von Graf Karl von Anjou auf die Krone Siziliens. Manfred zog von seiner Heimat Frankreich aus nach Italien. Am 26. Februar 1266 trafen die Truppen Karls bei Benevent auf das Heer Manfreds.

Über den genauen Verlauf der Schlacht wissen wir nicht genau Bescheid, dafür ist der Ausgang des Kampfes umso eindeutiger: Manfred starb auf dem Schlachtfeld, die staufische Partei in Süditalien zerfiel daraufhin. Karl von Anjou nutzte das Momentum, besiegte im Sommer 1268 auch noch den letzten Staufer Konradin und sicherte sich so die Alleinherrschaft im Königreich Sizilien. Nicht nur Karls militärische Siege verschafften ihm die Oberhand: Geschickt nutzte er die Mittel seiner Zeit, um schnell die Deutungshoheit über die Schlacht von Benevent zu erlangen.

Die Schlacht von Benevent zwischen Manfred und Karl in den Grandes Chroniques de France. (Abbildung: Bibliothèque nationale de France. Département des Manuscrits. Français 10135, Grandes Chroniques de France, entstanden 1370-1375, fol. 343r.)

Karls Informationspolitik nach dem Sieg über Manfred

Denn bereits am Tag der Schlacht schickte Karl einen Brief an seinen wichtigsten Verbündeten, Papst Clemens IV., um ihn von den Ereignissen und seinem Sieg zu berichten. Mit Details zum Schlachtverlauf hält Karl sich nicht auf, er berichtet lieber vom erhofften Ergebnis: Karl hat gesiegt, viele Feinde auf der Flucht getötet oder gefangen genommen, von Manfred fehlt noch jede Spur, nur sein herrenloses Pferd wurde auf dem Schlachtfeld gefunden.

In den nächsten Tagen sortierte Karl die verfügbaren Informationen und hatte bereits am 1. März Neuigkeiten für den Papst: Karl hatte die nackte Leiche Manfreds auf dem Schlachtfeld gefunden, die von mehreren Männern eindeutig identifiziert werden konnte, so schrieb Manfred an Papst Clemens. Karl ließ Manfred anschließend aus "natürlicher Frömmigkeit" bestatten, verweigert ihm jedoch aufgrund der bestehenden Exkommunikation Manfreds eine kirchliche Bestattung in geweihter Erde.

Karls Informationen sind absolut plausibel für den Nachgang einer Schlacht: Als Sieger sammelt er Informationen über gefallene Gegner, um seinen Erfolg einordnen zu können. Dabei diente die Zahl gefallener adeliger Gegner als Index für die Größe des Sieges. Durch die Plünderer, die nach einer Schlacht alle herumliegenden Wertsachen vom Schlachtfeld zerrten, war der Leichnam Manfreds sicherlich nicht sofort zu finden, denn dem geplünderten Leichnam fehlten wohl Kleidungsstücke und Wappen.

Karl legte in seinen Briefen großen Wert darauf, unnötige Details wegzulassen und konzentrierte sich stattdessen auf die folgenden drei Informationen:

  1. Karl ließ sich selbst in einem guten Licht erscheinen. So zeugt die Bestattung des Leichnams seines Gegners von der Barmherzigkeit Karls, der sich in seinen Briefen als christlicher Herrscher und Verteidiger von Kirche und Papst präsentiert.
  2. Karl betont die Folgen seines Sieges. Die Briefe konzentrieren sich auf die Verluste der Feinde und nennen keine Details über eigene Verluste oder den Ablauf des Kampfes. Der Fokus liegt auf der Tatsache des Todes Manfreds, dabei nennt Karl auch keine Details zur Art der Verletzungen des Staufers.
  3. Karl betont das Ende von Manfreds Herrschaft. Die von Karl mitgeteilten Informationen werden nur detaillierter als es um die Auffindung und Identifizierung von Manfreds Leichnam geht. Durch die Erwähnung der Bestattung betont Karl nochmals nachdrücklich den Tod Manfreds und erinnert gleichzeitig daran, dass Manfred exkommuniziert war.

Es zeigt sich deutlich: Karls Briefe waren keine schnellen Wasserstandsmeldungen an den Papst, sondern klug auf Wirkung hin konzipiert. Karl wollte so möglichst früh die Deutungshoheit über die Schlacht zu übernehmen und gleichzeitig verhindern, dass Manfred am Ende noch von den verbliebenen Anhängern der staufischen Partei zum tragischen Helden verklärt wird.

Karls Briefe entfalteten die gewünschte Wirkung: An der Kurie lasen Paps und Kardinäle die Briefe, danach werden sie im Konsistorium verlesen und in Form von Abschriften an Anhänger und Verbündete verschickt. Die ersten Nachrichten vom Ausgang der Schlacht und dem Tod Manfreds stammten damit aus der Feder des Siegers.

Der strahlende Sieger: Karl von Anjou wird von Papst Clemens IV. zum König von Sizilien gekrönt. (Abbildung: Bibliothèque nationale de France. Département des Manuscrits. Français 10135, Grandes Chroniques de France, entstanden 1370-1375, fol. 342r.)

Ein erbärmliches Ende und ein Sieger im besten Licht

Im Sommer 1273 verfasste der Geschichtsschreiber Andreas Ungarus eine Schilderung vom Tod Manfreds und führte dabei die Interpretation der Ereignisse weiter, die Karl von Anjou in seinen Briefen gelegt hatte.

Dabei ließ Andreas seinen Helden Karl nicht nur im guten Licht, sondern im allerbesten Licht erscheinen: Denn für Andreas Ungarus sicherte das Eingreifen Gottes den Sieg für Karl. Denn: Kurz vor der Schlacht habe die Sonne das Heer Karls geblendet. Doch dann verdunkelte eine Wolke praktischerweise die Sonne. Im Moment des Sieges löst sich die Wolke wieder auf und strahlt mit dem glorreichen Sieger Karl um die Wette.

In gleichem Maße wie Karl bei Andreas Ungarus überhöht wird, erniedrigt er Manfred. Denn laut Andreas Ungarus erhielt Manfred die gerechte göttliche Strafe für seine Überheblichkeit. Das begründet Andreas mit der besonders unehrenhaften Art und Weise, auf die Manfred sein Leben verliert: Das Pferd des Staufers sei von einer Lanze im Auge getroffen wurden, habe sich deshalb aufgebäumt und Manfred abgeworfen. Dem am Boden liegenden König schlitzt daraufhin das einfache Fußvolk die Kehle auf.

In der Darstellung des Andreas Ungarus starb Manfred einen ziemlich unehrenhaften Tod: Denn statt tapfer und ohne Furch bis zum bitteren Ende gegen gleichrangige Adelige zu kämpfen, erleidet er den Tod durch die Hand einfacher Kämpfer ohne seinen Heldenmut ein letztes Mal unter Beweis stellen zu können.

Es ist durchaus plausibel, dass einzelne Details aus dieser Darstellung sich so zugetragen haben, die Verletzung des Pferdes zum Beispiel. Doch natürlich ging es Andreas Ungarus nicht darum, den Ablauf der Schlacht und den Tod Manfreds möglichst korrekt zu schildern, sondern er wollte ein bestimmtes Bild von Manfred vermitteln: Der Staufer sollte als unehrenhafter Versager sterben und bei der Nachwelt keinesfalls als heldenhaft und ehrenvoll verstorbener König und moralischer Sieger der Geschehnisse erinnert werden.


Ein neuer Zeuge für das erbärmliche Ende König Manfreds

Im Geschichtswerk des Saba Malaspina wurde die Darstellung vom erbärmlichen Ende König Manfreds nochmal weitergesponnen. In dem in den 1280ern an der päpstlichen Kurie entstandenen Text ergänzt Malaspina das folgende Detail: Am Tag nach der Schlacht sei ein pikardischer Ritter über das Schlachtfeld geritten - auf dem Schlachtross Manfreds! 

Als die Anhänger des Staufers auf den Ritter aufmerksam werden, berichtet er ihnen als Augenzeuge vom Tod Manfreds. Er habe das Pferd Manfreds zufällig am Kopf getroffen, Manfred sei gestürzt und dann von Fußtruppen getötet worden. Der Pikarde konnte laut Malaspina die Männer Manfreds anschließend sogar zum Leichnam ihres verstorbenen Königs führen und so die Glaubwürdigkeit seines Berichts unterstreichen. 

Saba Malaspina zaubert in seiner Darstellung damit fast 20 Jahre nach der Schlacht noch einen Augenzeugen für den erbärmlichen Tod König Manfreds aus dem Hut. Seine Absicht ist ziemlich eindeutig: "Ganz offensichtlich dient die Episode vom pikardischen Ritter dazu, scheinbar zu belegen, was kaum zu beweisen war, und damit die den Siegern genehme Interpretation zu unterstützen", so der Historiker Malte Prietzel. So wollte Saba Malaspina die von Karl von Anjou angestoßene Deutung von Manfreds Tod nochmal fundieren.

Der Tod des Herrschers auf dem Schlachtfeld: Eine Rarität

Der Tod von Königen auf dem Schlachtfeld kam im Mittelalter nicht sehr häufig vor. Mit dem König starb zudem kein namenloser Krieger, sondern eine wichtige Persönlichkeit. Das verlangte nach Erklärungen und Aufarbeitung. 

Diese mittelalterlichen Könige starben auf dem Schlachtfeld:

Könige des römisch-deutschen Reichs
Rudolf von Rheinfelden (✝ 1080, Thronstreit)
Wilhelm von Holland (✝ 1256, Kampf gegen die Friesen)
Adolf von Nassau (✝ 1298, Thronstreit)

Könige von England
Harald Godwinson (✝ 1066, Thronstreit)
Richard Löwenherz (✝ 1199, Belagerung der Burg Châlus)
Richard III. (✝ 1485, Thronstreit)

Könige von Böhmen
Otokar II. Premsyl (✝ 1278, Gefangennahme in Schlacht und getötet aus persönlicher Rache durch österreichische Adelige)
Johann der Blinde (✝ 1346, Schlacht von Crécy)

Könige von Frankreich
Robert I. (✝ 923, Thronstreit)

Von den hier genannten Königen starben insgesamt fünf im Rahmen eines Thronstreits. Offenbar wurden Konflikte um die Krone besonders erbittert und risikoreich geführt, was die Todesquote der Thronprätendenten nach oben trieb. 

Harold Godwinson starb 1066 auf dem Schlachtfeld von Hastings. Auch sein Tod wird auf dem Teppich von Bayeux als unehrenhaft dargestellt - schließlich bringt ihn nicht ein gleichrangiger Krieger zur Strecke, sondern ein Pfeil. (Abbildung: Wikimedia Commons, Teppich von Bayeux.)

Über den Tod des Gegners sprechen

Auch Karl und Manfred kämpften um die Krone Siziliens und konnten sich dabei nicht auf die Kraft einer gefestigten Monarchie stützen, sondern führten beide jeweils "nur ein instabiles Bündnis an, dessen einzelne Mitglieder [...] unterschiedliche Ziele verfolgten und nur durch ihren Kronprätendenten zusammengehalten wurden" (Malte Prietzel).

Allein mit dem Tod Manfreds war Karls Stellung deshalb noch nicht abgesichert. Umso wichtiger war es für Manfred also, der verbliebenen staufischen Partei die Deutungshoheit über den Tod Manfreds nicht zu überlassen. Das Geschehen musste sozusagen "medial aufbereitet" werden und in der massenwirksamen Darstellung sofort so zu Gunsten Karls ausgelegt werden, dass Manfred keinesfalls zum tragischen Helden der staufischen Partei aufsteigen konnte, dessen Vorbild die Gegner Karls zum weiteren Widerstand antrieb.

Literatur zum Tod König Manfreds von Sizilien

Clauss, Martin/Stieldorf, Andrea/Weller, Tobias: Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter: Eine Einführung, in: Clauss, Martin [u.a.] (Hg.): Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter. Beiträge der Tagung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamber (13. - 15. März 2103), Bamberg 2015, S. 9-22.

Prietzel, Malte: Der Schlachtentod mittelalterlicher Könige in der Darstellung von Zeitgenossen. In: Clauss, Martin [u.a.] (Hg.): Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter. Beiträge der Tagung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamber (13. - 15. März 2103), Bamberg 2015, S. 117-136.

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