Die Statue der Kapitolinische Wölfin: Ein antikes Meisterwerk?

Die Statue der Kapitolinische Wölfin: Ein antikes Meisterwerk? Kaum ein antiker Mythos ist so bekannt wie die Gründungsgeschic...

Die Statue der Kapitolinische Wölfin: Ein antikes Meisterwerk?

Kaum ein antiker Mythos ist so bekannt wie die Gründungsgeschichte Roms: Die Zwillinge Romulus und Remus, Söhne einer Königstochter und des Kriegsgottes Mars, werden vom König ihrer Heimatstadt am Tiber ausgesetzt. Der König Amulius fürchtet um seine Herrschaft, denn Romulus und Remus sind die Enkel seines Vorgängers – den Amulius vom Thron gestoßen hat! Das Schicksal meint es gut mit den Zwillingen: Ihr Floß wird ans Ufer getrieben, eine Wölfin nimmt sich der Babys an und säugt sie. Zu Männern herangewachsen töten sie Amulius und gründen eine eigene Stadt: Rom. Dort erinnert man sich auch heute noch dieser Legende: In den Kapitolinischen Museen kann man zum Beispiel die antike Bronzefigur einer Wölfin bestaunen, die Romulus und Remus säugt. Doch was hat diese antike Statue mit dem Mittelalter zu tun?

Eine überraschende Entdeckung zum Alter der Kapitolinischen Wölfin

Seit dem 18. Jahrhundert war man sich eigentlich einig: Die Bronzefigur ist im 5. Jahrhundert vor Christus in einer etruskischen Werkstatt entstanden und war die nächsten Jahrhunderte an öffentlichen Plätzen in Rom aufgestellt. So berichtet zum Beispiel Cicero von der Statue einer Wölfin, die im Jahr 65 v. Chr. von einem Blitz getroffen wurde. Im 16. Jahrhundert hat die Wölfin schließlich ihren Platz im Konservatorenpalast auf dem Kapitol gefunden, dem heutigen Kapitolinischen Museum.

Die Kapitolinische Wölfin - ziemlich strenger Blick! (Abbildung: Wikimedia Commons, Jastrow)
Als jedoch das Kunstwerk 1997 restauriert wird, fällt den Forschern etwas auf: Die Wölfin wurde nicht aus einzelnen Teilen zusammengefügt, sondern in einem Stück gegossen – diese Herstellungstechnik war jedoch erst im Mittelalter verbreitet. Es ist verblüffend: Der Braunschweiger Löwe aus dem 12. Jahrhundert und die Kapitolinische Wölfin wurden mit der gleichen mittelalterlichen Gusstechnik hergestellt. Ist die Skulptur der Wölfin also ein Indiz für „Hightech aus der Antik“? Ein weiteres Beispiel für antikes Technikwissen, das erst Jahrhunderte später wiederentdeckt wird?

Der Braunschweiger Löwe wurde im 12. Jahrhundert mit der selben Gusstechnik wie
die Kapitolinische Wölfin hergestellt (Abbildung: Wikimedia Commons, Brunswyk)

Aufschluss über das tatsächliche Alter der Figur gibt dann 2012 eine Radiokarbon-Untersuchung: Die Bronzeskulptur entstand erst im 11. oder 12. Jahrhundert! Doch wenn die Figur erst im Mittelalter entstand – welche Wölfin hat dann Cicero gesehen? Vielleicht hat es sich so zugetragen: Es gibt im antiken Rom eine Statue einer Wölfin, die jedoch im Mittelalter nach Konstantinopel gebracht wird. Dort schmilzt man sie 1204 ein. In Rom fertigt man dagegen im späten 12. Jahrhundert eine neue Statue an – eben jene, die heute in den Kapitolinischen Museen zu sehen ist.

Wieso stellen die Römer eine neue Kapitolinische Wölfin her?

Doch wieso macht man sich damals in Rom die Mühe, eine verlorene antike Bronzestatue neu zu gießen? Die Rückbesinnung auf die Antike ist nicht allein künstlerisch zu verstehen, sondern vor allem auch politisch: In den Jahren 1143/1144 kommt es in Rom zu Aufständen der Stadtbevölkerung gegen die Stadtherrschaft des Papstes. Die römischen Bürger besinnen sich ihrer antiken Vergangenheit und errichten einen neuen Senat, der von nun an vom Kapitol aus die Geschicke der Stadt lenken sollte. Die mittelalterliche Nachbildung der Wölfin ist damit ein klares Signal an den Papst: Die Römer sehen sich als Nachfahren von Romulus und Remus, als freie und selbstbestimmte Bürger.

Mittelalterliche Rückbesinnung auf die Antike: Die Kapitolinische Wölfin in voller Größe (Abbildung: Wikimedia Commons, Jastrow)

Literatur zur Kapitolinischen Wölfin

Radnoti-Alföldi, Maria/Formigli, Edilberto/Fried, Johannes: Die römische Wölfin. Ein antikes Monument stürzt von seinem Sockel, Stuttgart 2011.
Hase-Salto, Maria Aurora von: Ein Werk des Mittelalters. Neue Erkenntnisse über die Kapitolinische Wölfin, in: Antike Welt 43,5 (2012), S. 53-56.
Johrendt, Jochen/Schmitz-Esser, Romedio (Hg.): Rom – Nabel der Welt. Macht, Glaube, Kultur von der Antike bis heute, Darmstadt 2010.
Petersohn, Jürgen: Kaisertum und Rom in spätsalischer und staufischer Zeit. Romidee und Rompolitik von Heinrich V. bis Friedrich II., Hannover 2010, S. 80-109.

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1 Kommentare

  1. "Rhea Sylvia wandelt, die fürstliche Jungfrau, der Tyber
    Wasser zu schöpfen hinab, und sie ergreifet der Gott.
    So erzeugte sich Mars zwey Söhne! – die Zwillinge tränket
    Eine Wölfinn, und Rom nennt sich die Fürstin der Welt..."

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