Guinefort, der heilige Greyhound & andere heilige Hunde

Am 10. Oktober ist internationaler Welthundetag. Ein sehr guter Anlass also, sich mit ein paar ganz besonderen Vierbeinern aus d...

Am 10. Oktober ist internationaler Welthundetag. Ein sehr guter Anlass also, sich mit ein paar ganz besonderen Vierbeinern aus dem Mittelalter zu beschäftigen: Den heiligen Hunden!

Richtig gelesen: Hunde waren nicht nur Begleiter bei der Jagd und Bewacher von Haus und Hof - manche Hunde erreichten auch den Status eines Heiligen. Ich stelle euch heute drei flauschige Vierbeiner vor, die im Mittelalter als Heilige verehrt wurden oder zumindest ins Paradies gelangten.

Mittelalterliche Abbildung eines (nicht heiligen) Greyhound. (Abbildung: British Library, Royal 11 E XI, f. 2.)

Saint Guinefort, der heilige Greyhound

Da wäre zum Beispiel Guinefort, ein französischer Greyhound, dessen Legende ab dem 13. Jahrhundert in den Quellen auftaucht. Guinefort gehörte einem Ritter, der in einer Burg in der Nähe von Lyon gelebt haben soll. Der Ritter brach eines Tages zur Jagd auf und ließ seinen kleinen Sohn in der Burg zurück - unter der Obhut seines treuen Hundes.

Doch als der Ritter zurückkam, erwartete ihn das reine Chaos: Die Krippe war leer, das Kind nirgends zu finden. Dafür hatte Guinefort Blut zwischen den Reißzähnen! Den Ritter packte die blanke Wut: Offenbar hatte Guinefort seinen geliebten Sohn getötet! In rasendem Zorn erschlug er den Hund.

Doch als sein toter Hund vor ihm lag, hörte der Ritter plötzlich die Schreie eines Babys. Ein Schauder lief ihm durch die Glieder. Er drehte das Kinderbettchen um und konnte es kaum fassen: Darunter lag sein Sohn – unversehrt! Dafür lag eine tote Natter neben dem Kleinkind.

Der gute Guinefort hatte die Giftschlange getötet und so das Leben des Kindes gerettet. Der Ritter bereute seine überhastete Tat sofort und bestattete Guinefort in einem Brunnen, den er zu einem Schrein für den Hund ausbaute.


Der erstaunte Dominikaner und die abergläubigen Bauern

Stephen de Bourbon berichtet im 13. Jahrhundert als einer der ersten Autoren davon, dass die Bauern der Gegend das Grab des Hundes aufsuchten, den Vierbeiner als Märtyrer verehrten und ihn um Hilfe bei Krankheiten baten. Für den Inquisitor aus dem Orden der Dominikaner war die Verehrung des Hundes natürlich Ketzerei. Den vom Teufel fehlgeleiteten Bauern untersagte er den Kult deshalb.

Die Bauern scherte seine Meinung freilich wenig. Bis in die 1930er wurde der Greyhound Guinefort als Patron der kranken Kinder verehrt und der Kult um den Hund gepflegt. Und der war tatsächlich ziemlich krass: Die Eltern brachten ihre kranken Kinder zum Grab des heiligen Hundes, legten die Kinder dort auf ein Bett aus Stroh, zündeten Kerzen an - und ließen die Kinder dort so lange alleine, bis die Kerzen herunter gebrannt waren.

Die meisten Kinder überlebten dieses Ritual wohl nicht: Entweder wurden sie von wilden Tieren gefressen oder starben durch ein Feuer, das durch die Kombination von Kerzen und Stroh sicherlich schnell entstehen konnte. Überlebte das Kind die Nacht, tauchte seine Mutter es neun Mal in einen Fluss - damit galt das Kind als geheilt durch den heiligen Vierbeiner.

So interessant die Geschichte vom heiligen Hund auch klingen mag, sie ist leider mit ein wenig Vorsicht zu genießen. Das fängt schon beim Status des heiligen Hundes an. Denn ebenso wie Stephen de Bourbon lehnte natürlich auch die Amtskirche den Hund als Heiligen ab, eine formale Heiligsprechung gab es deshalb nie. Guinefort blieb immer nur ein Teil der Volksfrömmigkeit.


Gelert: Der walisische Guinefort

Und noch einen Dämpfer gibt es: Die Geschichte vom Ritter und seinem Hund Guinefort taucht als Erzählmotiv in vielen Kulturen aus der ganzen Welt auf. Schon in der altindische Sammlung von Fabeln und Tiergeschichten namens "Panchatantra" findet sich die Geschichte vom treuen Tier (in diesem Fall ein indischer Mungo), das überstürzt und zu unrecht getötet wird. Von Indien aus reiste das Erzählmotiv um die ganze Welt.

So gibt es zum Beispiel in Wales die Legende von einem Hund namens Gelert. Den soll Llywelyn ab Iorwerth, der Fürst von Gwynedd, als Geschenk von König Johann von England erhalten haben. Auch in dieser Legende kehrte der Fürst von der Jagd zurück, findet sein Kind nicht, ermordet den Hund und stellt danach erschüttert fest, dass der Hund das Kind gerettet hatte. Von diesem Tag an soll Llywelyn nie mehr gelächelt haben.

In Beddgelert soll sich das Grab von Gelert befinden. Doch ob es sich dabei wirklich um die letzte Ruhestätte des Hundes handelt, ist ziemlich zweifelhaft. Vielleicht hat ein örtlicher Gastwirt auch gezielt die Legende von Gelerts Grab verbreitet, um Übernachtungsgäste anzulocken. Der Name des Örtchens Beddgelert kommt jedenfalls nicht vom Hund Gelert, sonder von einem Heiligen namens Celert, der im 7. Jahrhundert in Wales unterwegs war.

Das vermeintliche Grab von Gelert. (Abbildung: Wikimedia Commons, Necrothesp)


Der Heilige Guinefort - aus Pavia

Außerdem besteht die Möglichkeit, dass in Lyon mit Guinefort ursprünglich ein Heiliger aus Pavia verehrt wurde. Für den Historiker Jean-Claude Schmitt ist dieser Heilige aus Pavia eines von drei Puzzleteilen bei dem Rätsel um den heiligen Greyhound:

  1. Über das Leben des Heilige Guinefort aus Pavia war nur wenig bekannt - außer dass er als Märtyrer im Pfeilhagel starb und der Schutzpatron der Kinder war.
  2. Die Erzählung vom treuen Hund, der zu unrecht getötet wurde, hatte aus Indien ihren Weg nach Frankreich gefunden und sich dort im kulturellen Gedächtnis festgesetzt.
  3. Das Fest des Heiligen Guinefort wurde am 22. August gefeiert und damit in der Zeit der sogenannten Hundstage (23. Juli - 23. August), wenn das Sternbild Großer Hund gemeinsam mit der Sonne aufgeht. Andere Heilige, deren Gedenktage in diesen Zeitraum fallen, wurden häufig mit Hunden in Verbindung gebracht, etwa der Heilige Rochus.
In der Gegend von Lyon verbanden sich diese drei Elemente schließlich zur Legende vom heiligen Greyhound Guinefort, so Jean-Claude Schmitt. Denn weil die schemenhafte Lebensgeschichte von Guinefort aus Pavia für die Gläubigen unbefriedigend war, wurde sie wohl zur Geschichte vom heiligen Greyhound Guinefort ausgebaut.


Christopherus mit dem Hundekopf

Guinefort ist nicht der einzige Hund, der als Heiliger verehrt wurde. Auch der Heilige Christopherus, einer der bekanntesten Heiligen des Christentums, wurde in manchen Abbildungen als Mann mit Hundekopf dargestellt.

So wie auf diesem russischen Volksbild aus dem 19. Jahrhundert wurde der Heilige Christopherus in der Ostkirche häufig dargestellt: Mit Hundekopf. (Abbildung: New York Public Library)
Der Legende zufolge wurde der Heilige im 3. oder 4. Jahrhundert unter dem Namen Reprobus als Heide geboren. Erst bei der Taufe änderte er seinen Namen in Christopherus. Das heißt soviel wie "Träger Christi" und ist eine Anspielung auf die Bekehrung des Heiligen.

Denn der Riese wollte nur dem stärksten und mächtigsten Herrscher dienen - finden konnte er einen solchen aber nirgends. Schließlich wurde er Fährmann und trug Menschen über einen Fluss. Eines Tages trug er ein kleines Kind, das mit der Zeit immer schwerer und schwerer wurde. Tatsächlich handelte es sich bei dem Kind um Jesus, der den Riesen so getestet hatte.

Christopherus wird in der Kunst meist als Gigant dargestellt, der das Jesuskind trägt. Seine enorme Körpergröße wurde mit seiner Abstammung von einem heidnischen Volk vom Rand der Welt erklärt. Doch nach der Vorstellung der Menschen im Mittelalter lebten an den Rändern der Welt nicht nur Riesen und wilde Tiere, sondern auch allerhand gruselige Monster.

Vielleicht wurde aus dem Riesen Christopherus in der Kunst der östlichen Kirche deshalb ein Kynocephale, ein Hundemensch. Folgt man Karl-Heinz Göttert, dann ist es auch möglich, dass in der lateinischen Handschrift nicht "genere canaaneo" (aus einem kanaanäischen Geschlecht) gelesen wurde, sondern "canineo" - also hundeartig.

Auch in irischen und angelsächsischen Quellen des Frühmittelalters wurde der Heilige Christopherus als Mensch mit Hundekopf beschrieben. In der Kirche von St. Keverne in Cornwall wurde Christopherus sogar auf einer Wandmalerei mit einem Hundekopf dargestellt.


Die Sieben Schläfer von Ephesus und ihr Hund

Auch bei der Legende von den Sieben Schläfern von Ephesus spielt ein Hund eine kleine Nebenrolle. Diese Legende existiert in mehreren Versionen, sowohl in der christlichen als auch in der muslimischen Tradition. Im Kern geht es dabei immer um die folgende Geschichte:

Als im Jahr 251 der römische Kaiser Decius für ein heidnisches Fest nach Ephesus kam, weigerten sich sieben junge Männer, die heidnischen Götter anzubeten. Die sieben Männer flohen (begleitet von einem Hund) vor dem Märtyrertod in eine Höhle, wo sie friedlich einschliefen. Decius ließ daraufhin den Eingang zur Höhle versiegeln. Erst fast 200 Jahre später wurde die Höhle wieder geöffnet. Die Überraschung: Die Jünglinge waren noch am Leben! Die Jünglinge erwachten damit in einem neuen, nicht mehr heidnischen Reich.

Islamische Darstellung der sieben Schlafenden - samt Hund. (Abbildung: Wikimedia Commons, Moreau.henri)

Laut den Korankommentaren des muslimischen Koranexperten az-Zamachschari (1075-1144) wurden die Schläfer von einem Hund namens Qitmîr begleitet. Er bewachte die Schlafenden in der Höhle und kam sogar ins Paradies - und das obwohl Hunde ansonsten als unreine Tiere galten!


Literatur zu den heiligen Hunden im Mittelalter

Schmitt, Jean-Claude: The Holy Greyhound. Trans. by Martin Thom, Cambridge, 1983.
Antunes, Gabriela/Reich, Björn: (De)formierte Körper, die Wahrnehmung und das Andere im Mittelalter: Eine Einleitung, in: Antunes, Gabriela/Reich, Björn (Hg.): (De)formierte Körper. Die Wahrnehmung und das Andere im Mittelalter. Interdisziplinäres Seminar Straßburg, 19. März 2010, Göttingen 2012, S. 9-30.
Friedman, Johan Block: The Monstrous Races in Medieval Art and Thought. Cambridge/London 1981.

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