Movember: Die schönsten Bärte im Mittelalter

Bärte sind gerade voll im Trend. Und jedes Jahr im November kann man sogar Gutes tun, wenn man sich einen Schnauzbart stehen läs...

Bärte sind gerade voll im Trend. Und jedes Jahr im November kann man sogar Gutes tun, wenn man sich einen Schnauzbart stehen lässt: Denn mit den im sogenannten "Movember" sprießenden Bärten sollen Spenden zu Gunsten der Prostatakrebs-Vorsorge gesammelt werden. Dabei gilt: Je ausgefallener, desto besser!

An ausgefallenen und beeindruckenden Bärten hat es auch im Mittelalter nie gemangelt. Bärte waren dabei aber oft mehr als  nur modische Accessoires! Sie waren vielmehr äußere Zeichen von Alter, Stand und ethnischer Herkunft.

Nicht so nett: Dagobert schneidet seinem Lehrer den Bart ab. (Abbildung: British Library, Royal 16 G VI, f. 93v.)

Langobarden: Das müssen Männer mit Bärten sein!

Ganze Völker wurden im Mittelalter nach ihrer Barttracht benannt. Bestes Beispiel: Die Langobarden - ein Volk, das lange Bärte trug. So berichtet es zumindest Paulus Diaconus, ein langobardischer Chronist aus dem 8. Jahrhundert.

Für William von Malmesbury unterschied der Bart auch Normannen und Engländer: Während die Normannen komplett glatt rasiert waren, trugen die Engländer einen schicken Oberlippenbart. Diese Beobachtung Williams lässt sich auch anhand des Teppichs von Bayeux nachvollziehen: Normannen glattrasiert, Angelsachsen mit Bärtchen.

Herr der Hipster? Kaiser Lothar I. (Abbildung: British Library, Add MS 37768, fol. 4r.)

Unter Wilhelm Rufus, dem Sohn Wilhelms des Eroberers, sollte sich das dann aber ändern: Jetzt trug man am Hof die Haare möglichst lang. Von William von Malmesbury (der offenbar ausgesprochen großes Interesse an den Bärten seiner Mitmenschen hatte) mussten sich die Höflinge deshalb scharfe Kritik anhören.

Bärte: Anfassen verboten! 

Man sieht schon: Bärte konnten im Mittelalter ein wichtiger Teil der Identität ihres Trägers ausmachen. Dementsprechend Ernst nahmen einige Herrscher dann auch den Schutz ihrer bärtigen Untertanen.

König Alfred der Große ließ im 9. Jahrhundert zum Beispiel verfügen, dass jeder der den Bart eines anderen Manns abschnitt, eine saftige Geldstrafe zu zahlen hatte.

Bart macht stark: Samson im Kampf mit einem Löwen (Abbildung: British Library, Yates Thompson 13, f. 7v.)

Friedrich Barbarossa verbot in seinem Landfrieden von 1152 sogar, dass man anderen Männer am Bart greifen durfte. Barbarossa musste es wissen, er selbst trug ja ebenfalls einen beachtlichen roten Bart. Laut der Legende soll der Bart des im Kyffhäuser schlafenden Kaisers sogar noch immer wachsen! In der Sammlung von deutschen Sagen der Gebrüder Grimm heißt es zum Kaiser im Berg:

Von diesem Kaiser gehen viele Sagen im Schwange. Er soll noch nicht todt seyn, sondern bis zum jüngsten Tage leben, auch kein rechter Kaiser nach ihm mehr aufgekommen. Bis dahin sitzt er verholen in dem Berg Kyfhausen und wann er hervorkommt, wird er seinen Schild hängen an einen dürren Baum, davon wird der Baum grünen und eine beßre Zeit werden. Zuweilen redet er mit den Leuten, die in den Berg kommen, zuweilen läßt er sich auswärts sehen. Gewöhnlich sitzt er auf der Bank an dem runden steinernen Tisch, hält den Kopf in die Hand und schläft, mit dem Haupt nickt er stetig und zwinkert mit den Augen. Der Bart ist ihm groß gewachsen, nach einigen durch den steinernen Tisch, nach andern um den Tisch herum, dergestalt daß er dreimal um die Rundung reichen muß, bis zu seinem Aufwachen, jetzt aber geht er erst zweimal darum.


Er wächst und wächst und wächst. So stellten die Steinmetze im 19. Jahrhundert den schlafenden Kaiser Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser-Dankmal dar. (Abbildung: Wikimedia Commons, Reinhard Kirchner)

Die unfreiwillige Rasur von König Wamba

Was der Verlust des Bartes bedeuten konnte, musste im 7. Jahrhundert Wamba, der westgotische König von Spanien, am eigenen Leib erfahren. Wamba wurde nämlich am 14. Oktober 680 in seinem Palast in Toledo bewusstlos. Erzbischof Julian von Toledo hatte große Sorge um das Leben des Königs und verkleidete ihn zum Schutz als Mönch - dafür rasierte er ihn auch.

Aber: Wamba erholte sich! Die Verkleidung als Mönch hatte ihn zwar gerettet, doch der fehlende Bart wurde jetzt zum Problem, denn als Mönch konnte er seine Königswürde nicht mehr ausüben. Wamba fügte sich - zähneknirschend - in sein Schicksal und wurde Mönch. Erwig, einer seiner Fürsten, wurde neuer König. Auch abgesetzte Merowingerkönige wurden regelmäßig rasiert und geschoren, um ihnen das Heil, das in ihren langen Haaren liegen sollte, zu entziehen. Schon im Frühmittelalter galt also: Rasiert verliert!

Auch Gottvater höchstselbst hat natürlich einen stattlichen Bart. (Abbildung: Bayerische Staatsbibliothek, Schedelsche Weltchronik)

Papst Julis II. und sein Bart: Geschworen ist geschworen!

Dass Mönche und Geistliche keine Bärte tragen sollten, wurde im Mittelalter immer wieder betont. So verfügte zum Beispiel Papst Gregor VII., dass Kleriker stets glattrasiert sein mussten. Doch es gab auch prominente Ausnahmen wie Papst Julius II. Der schwor, sich einen Bart wachsen zu lassen, bis er eine Krankheit und die Franzosen besiegt hatte.

Der französische Franziskanermönch Matfré Ermengau of Bézier (gest. 1322) wird hier mit einem herrlich gelockten Bart dargestellt. (Abbildung: British Library, Yates Thompson 31, f. 2.)

Papst Julius II. war nicht der einzige, der sich bis zur Erfüllung eines Schwurs nicht mehr rasieren wollte. Der Chronist Orderic Vitalis berichtet, dass auch Gefangene und Büßer sich einen Bart wachsen ließen, bis sie in Freiheit gelangten oder Vergebung erhielten.

Und noch heute gibt es Trainer wie Gertjan Verbeek, der sich während einer Niederlagenserie einen "Verlierer-Bart" wachsen ließ, der erst nach dem Sieg gegen 1899 Hoffenheim wieder abrasiert wurde. Während sportlicher Großereignisse wie Fußball-EM (Christoph Metzelder) oder NHL-Playoffs gehören sprießende Bärte ohnehin zur festen Tradition.

Auch bei den Wikingern gab es wohl eine Verbindung zwischen Bart und Eid: Zur Bekräftigung eines solchen Versprechens sollen sich die Wikinger beim Schwur in den Bart gegriffen haben. So legen es jedenfalls kleine Statuen und bildliche Zeugnisse nahe.

Große Versammlung der Bärtigen in dieser Darstellung der zehn Söhne un der zehn Geschlechter aus der Bibel. (Abbildung: Frauenfeld, Kantonsbibliothek Thurgau, Y 19, f. 21r

Bärtige Herrscher im Mittelalter

Kaiser Friedrich Barbarossa war einer von vielen Herrschern, die wegen ihres tollen Bartes bewundert wurden. Der Geschichtsschreiber Bischof Otto von Freising schwärmte:

„Seine leibliche Gestalt ist wohl gebaut, von Statur ist er kleiner als die Größten und größer als die Mittelgroßen, sein Haar ist blond und oben an der Stirn etwas gekräuselt, die Ohren werden kaum durch darüberfallendes Haar verdeckt, da der Barbier aus Rücksicht au die Würde des Reiches das Haupthaar und den Backenbart durch dau-erndes Nachschneiden kürzt. Seine Augen sind scharf und durchdrin-gend, die Nase ist schön, der Bart rötlich, die Lippen sind schmal und nicht durch breite Mundwinkel erweitert und das ganze Antlitz ist fröhlich und heiter."

(Otto von Freising/Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, übers. von Adolf Schmidt, hg. von Franz-Josef Schmale, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe Bd. 17, Darmstadt 1974, IV, 86, S. 709.)

Barbarossa war nicht der einzige Herrscher mit einem beeindruckenden Bart. Bereits im 11. Jahrhundert wurde Herzog Gottfried III. von Lothringen "der Bärtige" genannt. Auch Eberhard I. von Württemberg wurde "der mit dem Barte" genannt.

In Flandern herrschte um 1000 Balduin IV. Schönbart. Und auch Eberhard I. von Württemberg trug den Beinamen "der mit dem Barte". Wie beeindruckend der Wikingerkrieger Sven Gabelbart wohl ausgesehen hat, kann man sich leicht vorstellen.

Herzog Ludwig VII. von Bayern (1368-1447) wurde ebenfalls "der Bärtige" oder auch "der Gebartete" genannt. Denn er hielt sich viele Jahre in Frankreich auf, wo sein Schwager Karl VI. als König herrschte. Der damaligen französischen Mode entsprechend trug Ludwig einen schicken Bart.

Herzog Georg der Bärtige von Sachsen (1471-1539), Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553) (Abbildung: Staatsgalerie Aschaffenburg via Wikimedia Commons, Lutz Hartmann)

Über Kaiser Otto I. und seinen Bart gibt es eine Sage, die von den Gebrüdern Grimm festgehalten wurde: "Kaiser Otto der Große wurde in allen Landen gefürchtet, er war strenge und ohne Milde, trug einen schönen roten Bart; was er bei diesem Barte schwur, machte er wahr und unabwendlich.", so heißt es in den "Deutschen Sagen". Wieso ein solcher Schwur dem Kaiser fast zum Verhängnis wurde, kann hier in voller Länge nachgelesen werden.

Bartträger waren sich auch im Mittelalter nicht automatisch grün: Hier präsentiert das Volk von Ephraim dem rechts sitzenden Gideon die Häupter zweier erschlagener Heiden. Die Ungläubigen konnten auch ihre hübschen Bärte nicht retten. (Abbildung: Frauenfeld, Kantonsbibliothek Thurgau, Y 19, f. 198r)

Im 16. Jahrhundert brachte es Andreas Eberhard Rauber (1507-1575) zu größerer Berühmtheit. Der Hofkriegsrat und Günstling Kaiser Maximilians II. hatte nämlich einen enorm langen Bart, den er in zwei langen Zöpfen trug, die zweimal bis zum Boden reichten! Weil er auch noch sehr groß und ziemlich stark war, nannten seine Zeitgenossen ihn schnell den "Deutschen Herkules". Wer Andreas Eberhard Rauber selbst bewundern möchte, kann das hier und hier tun.

Ein Prophet mit prächtigem Gabelbart. (Abbildung: British Library, Additional 18856, f. 3.)


Der Bart: Die unterschätzte Gefahr!

Doch Bärte konnten auch tödlich sein! Hans Staininger, der im 16. Jahrhundert Stadthauptmann in Braunau am Inn war, war zu Lebzeiten für seinen außergewöhnlich langen Bart bekannt. Fast zwei Meter lang soll sein Bart gewesen sein!




Das soll Staininger am 28. September 1567 bei der Flucht vor einem Brand zum Verhängnis geworden sein: Statt seinen Bart - wie sonst immer - ordentlich aufzurollen und in seine Brusttasche zu stecken, floh Staininger Hals über Kopf aus dem Haus. Dabei stolperte er über seinen Bart, stürzte die Treppe hinunter und brach sich das Genick. Ironie des Schicksals: Heute trägt eine Treppe in der Münchner Residenz ausgerechnet den Namen von Hans Staininger!

In einer anderen Version der Todesumstände soll Hans Staininger einem durchreisenden Fürsten entgegengeeilt sein, um ihn ehrerbietig zu begrüßen. Dabei machte Staininger zu große Schritte, trag sich selbst auf den Bart, stolperte und verletzte sich dabei tödlich.

Wie auch immer Hans Staininger genau starb: Seine Hinterbliebenen waren offenbar so stolz auf den Bart des Verstorbenen, dass sie den Bart als Familienreliquie aufbewahrten. Deshalb kann man den Bart auch heute noch im Bezirksmuseum bewundern:

Der Bart des Hans Staininger - die Echtheit wurde durch chemische und physikalische Untersuchungen bewiesen! (Abbildung: Wikimedia Commons, Markus Metz)

Literatur zu den Bärten des Mittelalters

Coates, Simon: Scissors or Sword? The Symbolism of a Medieval Haircut, in: History Today 49 (1999), S. 7-13.
Brall-Tuchel, Helmut: Geraufter Bart und nackter Retter. Verletzung und Heilung des Autoritätsprinzips in Konrads von Würzburg Heinrich von Kempten, in: Matzel, Klaus (Hg.): Festschrift Herbert Kolb zum 65. Geburtstag. Bern 1989, S. 31-52.
Schmidt-Lornsen, Jutta: Der Griff an den Bart - wikingerzeitliche Bildzeugnisse zu einer bekräftigenden Gebärde, in: Hauck, Karl/Kroeschell, Karl A. (Hgg.): Sprache und Recht. Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Festschrift für Ruth Schmidt-Wiegand zum 60. Geburtstag, Berlin/New York 1986, S. 780-796.

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