Am Weihnachtstag 1066 ist Herzog Wilhelm von der Normandie am Ziel seiner Träume: Er wird in Westminster Abbey zum neuen König von England gekrönt. Wenige Monate zuvor hatte der normannische Herzog der Normandie in der Schlacht bei Hastings den letzten angelsächsischen König von England vernichtend geschlagen.
Die Ereignisse des Jahres 1066 waren ein gigantischer Erfolg für die Normannen. Für die angelsächsische Führungsschicht bestand kaum Anlass zu Freude: Alle wichtigen Positionen im englischen Königreich wurden nach der Normannischen Eroberung mit normannischen Vertrauten des neuen Königs besetzt. Doch wie waren die Reaktionen auf die Normannische Eroberung im Rest von Europa? Was hielt man in Frankreich und Italien vom neuen englischen König? Wie bewerteten die zeitgenössischen Geschichtsschreiber die Ereignisse?
Wilhelms Argumentation war, dass der englische König Harold ihm früher bereits einen Treueid geschworen hatte, als Harold in der Normandie war. Doch nun war Harold meineidig geworden, weshalb er aus England vertrieben werden musste – wenn nötig, mit Gewalt!
Der Papst stimmte dieser Argumentation zu, denn der Bruch eines Eides war eine Verletzung des Friedens und musste durch einen legitimen Herrscher bestraft werden. Er schickte einen Gesandten in die Normandie, der Herzog Wilhelm ein päpstlichen Banner überreichte. Dieses Banner war der sichtbare Beweis der Unterstützung durch den Papst. Während der Invasion wurde es deshalb immer an der Spitze des Heeres getragen.
Dank der Unterstützung durch Papst Alexander II. war die Eroberung legitimiert und moralisch abgesichert. Doch diese Unterstützung rief auch Kritik hervor: Der Gelehrte Wenric beschwerte sich zum Beispiel 1080 in einem Brief an Papst Gregor VII. darüber, dass der Papst den Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden unterstütze. Wenric warf dem Papst vor, dass er nicht nur Rudolf, sondern auch andere gewalttätige Usurpatoren und mordlüsterne Tyrannen unterstütze - so wie etwa Wilhelm den Eroberer.
Nur 50 Jahre zuvor, im Jahr 1016, hatte König Knut der Große von Dänemark in der Schlacht von Assandun über die Angelsachsen gesiegt und konnte sich so die Herrschaft über England sichern. Obwohl die Normannen und die Dänen gemeinsame skandinavische Vorfahren hatten, waren die Beziehungen zwischen Normandie und Dänemark nicht besonders eng.
König Knut IV. von Dänemark, ein Nachfahre Knuts des Großen, betrachtete England auch nach der Eroberung durch die Normannen noch als Teil eines größeren skandinavischen Königreichs. Bedauern und Ärger über das Scheitern eines großen dänischen Nordseeimperiums führen bei König Knut IV. sogar dazu, im Jahr 1085 eine Invasion Englands vorzubereiten. Doch bevor er mit seinem Heer Richtung England aufbrechen kann, bricht ein Aufstand im Volk aus und Knut wird in Odense erschlagen.
Die Verbitterung bei den Dänen über den Verlust Englands hält noch lange an. Im Jahr 1122 schrieb Alenoth von Canterbury eine Biographie Knuts IV. und stellt den Dänen darin als Beschützer der Engländer gegen die Tyrannei und Aggression des ausländischen Herzogs Wilhelm dar.
Frutolf von Michelsberg, der um 1100 seine Chronica verfasste, bezeichnete Wilhelm als tyrannischen Herrscher, der nur durch eine blutige Eroberung an die Macht gekommen sei. Frutolf kritisierte die Gewalt und fand keine positiven Worte über Wilhelm. Vielleicht auch deshalb, weil seine Informationen vor allem von geflohenen Angelsachsen stammten. Auch Otto von Freising schloss sich dieser Bewertung in seinem Geschichtswerk an.
Der Respekt vor dem neuen normannischen König von England war groß. Lampert von Hersfeld berichtete wenige Jahre nach der Normannischen Eroberung von der Sorge seines Königs Heinrichs IV. davor, dass Wilhelm in den Streit zwischen dem Heinrich IV. und seinem Gegner, dem Erzbischof von Köln, eingreifen könnte. Die militärische Reputation Wilhelms des Eroberers brachte Heinrich IV. sogar dazu, seinen Zug nach Ungarn abzubrechen und ins Rheinland zurückzukehren.
Die Herrschaft Wilhelms wurde dagegen positiver bewertet: In der Chronik von St-Hubert, die um 1100 entstand, wird besonders Wilhelms Klosterpolitik in England und der Normandie gelobt. Auch seine Bemühungen um die Reform von Verwaltung und Recht auf der Insel rühmt der Verfasser.
Nicht alle in Flandern standen Wilhelm dem Eroberer jedoch so kritisch gegenüber. Einzelne Kämpfer aus Flandern nahmen nämlich im Heer der Normannen an der Eroberung von 1066 teil – angelockt durch das Versprechen auf eine reiche Belohnung.
Auch Hugo von Fleury zeichnet in seinem Geschichtswerk aus dem Jahr 1114 ein äußerst positives Bild Wilhelms. Das ist kaum verwunderlich, schließlich unterhielt Hugo sehr enge Verbindungen zum normannischen Königshof.
Die Beziehungen der Normannen in Süditalien zu ihren Verwandten in der Normandie sind innig und eng. Auch zum Papsttum unterhalten die süditalienischen Normannen und Mönche sehr gute Beziehungen.
Der Geschichtsschreiber Amatus von Montecassino rühmt Wilhelm deshalb um 1080 als berühmtesten Herzog der Normandie. Harold ist für ihn dagegen ein schlechter Mensch, der auf dem Schlachtfeld den verdienten Tod fand.
Dennoch bewunderten viele europäische Adelige den militärischen Sieg Wilhelms und seine kluge Taktik bei der Invasion. Auch seine Bemühungen um die Reform der Kirche in England war bei den meisten Geistlichen ein Anlass zur Freude.
Die Eroberung Englands durch die Normannen schuf neue politische Tatsachen und überall in Europa machte man sich Gedanken, welche Konsequenzen daraus entstehen könnten. In Skandinavien überwog dabei das Bedauern über das Ende eines dänischen Nordseeimperiums während in deutschen Ländern der Respekt vor den militärischen Leistungen Wilhelms groß war. Aus Frankreich und Süditalien kamen dagegen die positivsten Stimmen über die Normannische Eroberung - von Freunden Wilhelms.
Die Ereignisse des Jahres 1066 waren ein gigantischer Erfolg für die Normannen. Für die angelsächsische Führungsschicht bestand kaum Anlass zu Freude: Alle wichtigen Positionen im englischen Königreich wurden nach der Normannischen Eroberung mit normannischen Vertrauten des neuen Königs besetzt. Doch wie waren die Reaktionen auf die Normannische Eroberung im Rest von Europa? Was hielt man in Frankreich und Italien vom neuen englischen König? Wie bewerteten die zeitgenössischen Geschichtsschreiber die Ereignisse?
Die Schlacht von Hastings: Ein Wendepunkt der Geschichte Englands und Westeuropas. (Abbildung: British Library, Yates Thompson 33, f. 155v.) |
Papsttum: Legitimierung der Normannischen Eroberung
Die Beziehungen zwischen Normandie und Rom waren schon vor 1066 gut. Papst Alexander II. war dem herzoglichen Ratgeber Lanfrank (dem Abt von Saint-Étienne in Caen) in Freundschaft verbunden - beide kannten sich aus der gemeinsamen Schulzeit in Norditalien. Da lag es nahe, dass Herzog Wilhelm von der Normandie sich vor der Eroberung um die Zustimmung des Papstes bemühte.Wilhelms Argumentation war, dass der englische König Harold ihm früher bereits einen Treueid geschworen hatte, als Harold in der Normandie war. Doch nun war Harold meineidig geworden, weshalb er aus England vertrieben werden musste – wenn nötig, mit Gewalt!
Der Papst stimmte dieser Argumentation zu, denn der Bruch eines Eides war eine Verletzung des Friedens und musste durch einen legitimen Herrscher bestraft werden. Er schickte einen Gesandten in die Normandie, der Herzog Wilhelm ein päpstlichen Banner überreichte. Dieses Banner war der sichtbare Beweis der Unterstützung durch den Papst. Während der Invasion wurde es deshalb immer an der Spitze des Heeres getragen.
Dank der Unterstützung durch Papst Alexander II. war die Eroberung legitimiert und moralisch abgesichert. Doch diese Unterstützung rief auch Kritik hervor: Der Gelehrte Wenric beschwerte sich zum Beispiel 1080 in einem Brief an Papst Gregor VII. darüber, dass der Papst den Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden unterstütze. Wenric warf dem Papst vor, dass er nicht nur Rudolf, sondern auch andere gewalttätige Usurpatoren und mordlüsterne Tyrannen unterstütze - so wie etwa Wilhelm den Eroberer.
Skandinavien: Das verlorene Nordseeimperium
In Skandinavien überwog nach der erfolgreichen Eroberung Englands durch die Normannen ein Gefühl der Nostalgie: Denn mit dem Sieg Herzog Wilhelms war der Traum von einem Nordseeimperium unter einem dänischen König endgültig ausgeträumt.Nur 50 Jahre zuvor, im Jahr 1016, hatte König Knut der Große von Dänemark in der Schlacht von Assandun über die Angelsachsen gesiegt und konnte sich so die Herrschaft über England sichern. Obwohl die Normannen und die Dänen gemeinsame skandinavische Vorfahren hatten, waren die Beziehungen zwischen Normandie und Dänemark nicht besonders eng.
König Knut IV. von Dänemark, ein Nachfahre Knuts des Großen, betrachtete England auch nach der Eroberung durch die Normannen noch als Teil eines größeren skandinavischen Königreichs. Bedauern und Ärger über das Scheitern eines großen dänischen Nordseeimperiums führen bei König Knut IV. sogar dazu, im Jahr 1085 eine Invasion Englands vorzubereiten. Doch bevor er mit seinem Heer Richtung England aufbrechen kann, bricht ein Aufstand im Volk aus und Knut wird in Odense erschlagen.
Die Verbitterung bei den Dänen über den Verlust Englands hält noch lange an. Im Jahr 1122 schrieb Alenoth von Canterbury eine Biographie Knuts IV. und stellt den Dänen darin als Beschützer der Engländer gegen die Tyrannei und Aggression des ausländischen Herzogs Wilhelm dar.
Reich: Angst vor der normannischen Bedrohung und Kritik der Gewalt
In den deutschen Ländern herrscht eine Mischung aus Angst vor der normannischen Bedrohung und aus Bewunderung für die militärische Leistung. Man beobachtete die Entwicklungen dabei eher aus der Ferne, denn diplomatische Beziehung zwischen der Normandie und dem Reich gab es wohl keine.Frutolf von Michelsberg, der um 1100 seine Chronica verfasste, bezeichnete Wilhelm als tyrannischen Herrscher, der nur durch eine blutige Eroberung an die Macht gekommen sei. Frutolf kritisierte die Gewalt und fand keine positiven Worte über Wilhelm. Vielleicht auch deshalb, weil seine Informationen vor allem von geflohenen Angelsachsen stammten. Auch Otto von Freising schloss sich dieser Bewertung in seinem Geschichtswerk an.
Der Respekt vor dem neuen normannischen König von England war groß. Lampert von Hersfeld berichtete wenige Jahre nach der Normannischen Eroberung von der Sorge seines Königs Heinrichs IV. davor, dass Wilhelm in den Streit zwischen dem Heinrich IV. und seinem Gegner, dem Erzbischof von Köln, eingreifen könnte. Die militärische Reputation Wilhelms des Eroberers brachte Heinrich IV. sogar dazu, seinen Zug nach Ungarn abzubrechen und ins Rheinland zurückzukehren.
Die Herrschaft Wilhelms wurde dagegen positiver bewertet: In der Chronik von St-Hubert, die um 1100 entstand, wird besonders Wilhelms Klosterpolitik in England und der Normandie gelobt. Auch seine Bemühungen um die Reform von Verwaltung und Recht auf der Insel rühmt der Verfasser.
Flandern: Kritische Mönche und pragmatische Krieger
In Flandern wurde die Normannische Eroberung besonders negativ bewertet. Die Annales Laubienses betonten etwa die ausufernde Gewaltsamkeit der Normannen. Die Chronisten, die Wilhelm am schärfsten verurteilten, waren meist Mönche und Gelehrte, die enge Beziehungen zur angelsächsischen Kirche unterhielten. Viele von ihnen hatten sogar vor 1066 im angelsächsischen England gelebt.Nicht alle in Flandern standen Wilhelm dem Eroberer jedoch so kritisch gegenüber. Einzelne Kämpfer aus Flandern nahmen nämlich im Heer der Normannen an der Eroberung von 1066 teil – angelockt durch das Versprechen auf eine reiche Belohnung.
Frankreich: Bewunderer und Unterstützer Wilhelms
Besonders im Norden Frankreichs waren die Beziehungen zur Normandie gut. Entsprechend positiv Fallen hier auch die Reaktionen auf die Normannische Eroberung Englands aus. Hariulf von Saint Riquier stellt dem eidbrüchigen Usurpator Harold zum Beispiel den von Gott bestimmten Herrscher Wilhelm gegenüber.Auch Hugo von Fleury zeichnet in seinem Geschichtswerk aus dem Jahr 1114 ein äußerst positives Bild Wilhelms. Das ist kaum verwunderlich, schließlich unterhielt Hugo sehr enge Verbindungen zum normannischen Königshof.
Italien: Natürliche Verbündete der Normannen
Auch im Süden von Italien herrschten im 11. Jahrhundert normannische Fürsten. Nachgeborene Söhne aus der Normandie hatten sich hier zunächst als Söldner in den Auseinandersetzungen zwischen den lokalen Herrschern einen Namen gemacht. Die erfolgreichsten Söldner stiegen schließlich selbst zu Herrschern über Grafschaften auf. Robert Guiscard ist hier die zentrale Figur.Die Beziehungen der Normannen in Süditalien zu ihren Verwandten in der Normandie sind innig und eng. Auch zum Papsttum unterhalten die süditalienischen Normannen und Mönche sehr gute Beziehungen.
Der Geschichtsschreiber Amatus von Montecassino rühmt Wilhelm deshalb um 1080 als berühmtesten Herzog der Normandie. Harold ist für ihn dagegen ein schlechter Mensch, der auf dem Schlachtfeld den verdienten Tod fand.
Fazit: Eine Mischung aus Skepsis und Bewunderung
Im Allgemeinen bestand also eine verbreitete Skepsis gegenüber den Ereignissen von 1066 in Europa. Herzog Wilhelm von der Normandie war für viele zu weit gegangen bei seinem Streben nach einer Krone. Auch dass der Papst ihn dabei noch unterstützte, wurde stark kritisiert.Dennoch bewunderten viele europäische Adelige den militärischen Sieg Wilhelms und seine kluge Taktik bei der Invasion. Auch seine Bemühungen um die Reform der Kirche in England war bei den meisten Geistlichen ein Anlass zur Freude.
Die Eroberung Englands durch die Normannen schuf neue politische Tatsachen und überall in Europa machte man sich Gedanken, welche Konsequenzen daraus entstehen könnten. In Skandinavien überwog dabei das Bedauern über das Ende eines dänischen Nordseeimperiums während in deutschen Ländern der Respekt vor den militärischen Leistungen Wilhelms groß war. Aus Frankreich und Süditalien kamen dagegen die positivsten Stimmen über die Normannische Eroberung - von Freunden Wilhelms.
Literatur zu den Reaktionen auf die Normannische Eroberung in Europa
van Houts, Elisabeth: The Norman Conquest trough European Eyes, in: English Historical Review 110 (1995), S. 832-853.
2 Kommentare
Ich glaube ja, dass William nur deswegen England eroberte, weil er einen neuen Spitznamen wollte ;). "William the Conquerer" klingt doch viel besser als "William the Bastard".
AntwortenLöschenAber im Ernst: Wie wird William in den oben erw#hnten europäischen Quellen denn bezeichnet? Einfach als Herzog der Normandie, als König, als Eroberer oder als Bastard?
In England selbst waren die Reaktionen auch recht unterschiedlich und gerade im Norden lebte die Idee eines skandinavischen Nordseereichs noch recht lange weiter. Und auch unter den Gelehrten gab es ein paar laute Kritiker. Der Geschichtsschreiber Wilhelm von Malmesbury beklagte sich um 1100 zum Beispiel, dass „England eine Wohnstätte von Ausländern“ geworden sei. Manche Dinge ändern sich nie ;)
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