Kurioses
Papst
Spätmittelalter
symbolische Kommunikation
Die Wahl von Papst Felix V. – eine haarige Angelegenheit
Mai 18, 2016
Am 15. Dezember 1439 erscheinen
vier hochrangige Kirchenvertreter in Ripaille am Genfer See. Ihr Ziel: Ein
kleines Kloster, in das sich die Brüder des Moritzordens, eines geistlichen Ritterordens,
zurückgezogen haben, um ein Leben in Armut und Frömmigkeit zu verbringen. Die
Delegierten haben eine ganz besondere Nachricht im Gepäck: Einer der Eremiten,
der rauschbärtige Amadeus, ist vorigen Monat in Basel vom großen Konzil zum
neuen Papst gewählt worden. Doch statt die Wahl anzunehmen, bittet Amadeus um
Bedenkzeit. Er will sich zunächst mit seinen Ratgebern besprechen.
Am nächsten Tag tritt Amadeus vor
die Konzilsdelegation: Er wolle die Wahl annehmen, so erklärt er ihnen, doch er
habe einige Forderungen. Unter anderem will er auf jeden Fall seinen Bart
behalten – keine Diskussion!
Woher nimmt der bärtige Eremit
die Dreistigkeit, solche teils kuriosen Forderungen zu stellen? Und warum legt
er so großen Wert ausgerechnet auf seinen Bart? Die Papstwahl von 1439 wird durch
die Forderungen von Herzog Amadeus zu einer ziemlich haarigen Angelegenheit.
1. Forderung: Amadeus will seinen weltlichen Namen behalten!
Es ist eine jahrhundertealte
Tradition, die auch heute noch befolgt wird: Direkt nach der Wahl gibt jeder
neue Papst sich einen neuen Namen. Angefangen hat das alles im 6. Jahrhundert
mit einem gewisser Mercurius, der als Papst den Namen des heidnischen Gottes
ablegt und sich fortan Johannes II. nennt. Und nun will ausgerechnet ein einfacher
Eremit aus einem winzigen Kloster mit dieser Tradition brechen und als Papst
Amadeus I. den Papstthron besteigen?>
Doch Amadeus ist kein
gewöhnlicher Eremit: Seit 1391 ist er Graf von Savoyen, seit 1416 sogar der
Herzog des Landes. Doch 1434 zieht Herzog Amadeus VIII. sich aus der aktuellen
Tagespolitik in das Kloster am Genfer See zurück. Trotzdem dankt er nicht
endgültig ab als Herzog. Ein möglicher Grund für seine Forderung: Als Papst
Amadeus I. würde der Herzog den Namen seiner Vorfahren in den Papstlisten
verewigen – und so das Ansehen der eigenen Dynastie enorm steigern!
Herzog Amadeus VIII. und sein Hof. Miniatur von Jean Bapteur in einer Handschrift von De doctrina dicendi et tacendi des Albert von Brescia, um 1430. Bruxelles, Bibliothèque Royale de Belgique, ms. 10317-18. Abbildung aus: , Pasquet, Olivier: Étude géo-historique du vignoble et des paysages viticoles savoyards. Phase 1: les origins, 2012, S. 52 |
Durchsetzen kann sich Amadeus mit
seinem Wunsch jedoch nicht, auch er muss sich als Papst einen neuen Namen
geben: Aus Herzog Amadeus VIII. wird so Papst Felix V.
2. Forderung: Amadeus will sein Eremitengewand behalten!
Nicht nur seinen Namen will
Amadeus behalten, auch auf sein Eremitengewand will er nicht verzichten. Das
einfache graue Gewand eignete sich natürlich überhaupt nicht als Papstoutfit,
schon allein weil sich traditionell Weiß und Rot als Farben des Papstes
etabliert haben. Soll die Beibehaltung der grauen Eremitenkleidung etwa eine
besondere Demut ausdrücken? Irgendwie unglaubwürdig. Wahrscheinlich ist die
Forderung nach Beibehaltung des Eremitengewandes nur ein Vorwand, eine Art Tarnung.
Das Ziel des neuen Papstes? Er will um jeden Preis seinen Bart behalten!
3. Forderung: Amadeus will seinen Bart behalten!
Der Bart – er ist das
prägnanteste Merkmal von Herzog Amadeus VIII. Auch als er sich mit den Rittern
von St. Mauritius nach Ripaille zurückzieht, nimmt Amadeus den Bart nicht ab. Natürlich
passt ein wuchernder Bart gut zum zurückgezogenen Leben eines Eremiten und zu
dessen grauen Gewändern. Beibehaltung der Eremitenkleidung und des Bartes gehen
also durchaus Hand in Hand. Doch der Bart ist noch viel mehr: Er ist ein Symbol
der fürstlichen Macht seines Trägers! Der Bart ist – ebenso wie das Schwert – ein
Herrschaftszeichen, das den Mann als mächtigen Herzog ausweist. Gelingt es
Amadeus, seinen Bart auch als Papst zu behalten, dann sieht man ihm schon von
weitem seinen enormen Rang an: Er ist sowohl Herzog als auch Papst! Das
Problem: Für Päpste ist seit dem Hochmittelalter die Bartlosigkeit
vorgeschrieben, um die Geistlichen strikt vom weltlichen Lebensbereich
abzugrenzen.
Zunächst scheint es aber so, als
könne Amadeus sich durchsetzen: In der Woche vom 17. bis zum 25. Dezember 1439
tritt Felix V. als bärtiger Papst auf. Den Weihnachtsgottesdienst feiert der
neue Papst dann jedoch glattrasiert – und übergibt folgerichtig während der
Messe die Herzogsherrschaft vollständig seinem Sohn Ludwig. Felix V. ist damit
nur noch Papst. Und bartlos. Doch das ist nicht das einzige verbleibende
Problem.
Der bartlose Papst Felix V. auf einem Holzschnitt in der Schedelschen Weltchronik von 1493, Blatt 242 verso. Abbildung aus der Digitalen Sammlung der Staatsbibliothek München. |
Das große Problem: Es gibt bereits einen Papst!
Die Wahl von Papst Felix V.
findet unter ungewöhnlichen Umständen statt: Seit 1431 tagt in Basel ein
Kirchenkonzil, das sich eigentlich um die grundlegenden innerkirchlichen
Probleme der Zeit kümmern soll. Überschattet wird die Versammlung allerdings
vom Streit zwischen dem Konzil und Papst Eugen IV., der das Basler Konzil
schließlich 1437 sogar für aufgelöst erklärt und ein eigenes Konzil nach
Ferrara einberuft. In Basel lehnt man dieses päpstliche Konzil ab – und
entscheidet sich zu einem radikalen Schritt: Am 25. Juni 1439 wird Papst Eugen
auf dem Basler Konzil für abgesetzt erklärt. Eugen IV. gibt sich davon
unbeeindruckt, doch in Basel gilt der Papstthron nun als vakant. Der nächste
Schritt der Konzilsteilnehmer: Die Wahl eines neuen Papstes – beziehungsweise
eines eigenen Papstes, denn Eugen IV. kann weiterhin auf die Unterstützung einer
großen Zahl an geistlichen und weltlichen Fürsten zählen. Die Wahl fällt auf
Herzog Amadeus VIII., den bärtigen Eremiten.
Amadeus kann sich als Papst Felix
V. jedoch nie gegen Eugen IV. durchsetzen und tritt am 7. April 1449 schließlich
freiwillig zurück. Er gilt heute als letzter Gegenpapst. Ob er sich in den
letzten beiden Lebensjahren vor seinem Tod am 7. Januar 1451 wieder einen Bart
wachsen ließ, ist leider nicht überliefert.
Literatur
Gießmann, Ursula: Der letzte Gegenpapst: Felix V. Studien zu
Herrschaftspraxis und Legitimationsstrategien (1434 – 1451), Böhlau 2014.
Helmrath, Johannes: Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und
Probleme, Köln/Wien 1987.
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