Herrscher
Hochmittelalter
Heinrich der Löwe als Herzog von Bayern (1158-1180)
Juni 01, 2016
Am 6. August 1195 stirbt Heinrich
der Löwe aus dem Adelsgeschlecht der Welfen, sicherlich eine der bekanntesten
Persönlichkeiten des 12. Jahrhunderts. Als Herzog von Sachsen und Bayern
erlangt Heinrich ab 1158 eine herausragende Position und macht sich zahlreiche
Feinde unter den Großen des Reiches – was schließlich 1180 zu seiner Absetzung
führt. Mit der Herrschaft Heinrichs in Sachsen hat sich die Forschung relativ
intensiv auseinandergesetzt. Weniger gut erforscht ist dagegen, wie Heinrich
der Löwe als Herzog von Bayern regierte. Das bekannteste und meistbeachtete Ereignis
im Zusammenhang mit der Herrschaft Heinrichs des Löwen ist sicherlich der
Brückenstreit mit dem Bischof von Freising und der damit verbundene Eintritt
Münchens in die Geschichte.
Doch welche Spuren hat Heinrich
der Löwe als Herzog darüber hinaus in Bayern hinterlassen? Wie regierte er im
bayerischen Herzogtum? Und welche Bedeutung hatte seine Herzogsherrschaft für
die Geschichte Bayerns?
Herzog Heinrich der Löwe, Kartular des Klosters Weissenau (um 1220),St. Gallen, Kantonsbibliothek Vadiana, VadSlg Ms. 321, S. 48; Quelle: Wikimedia Commons |
Probleme für Heinrichs Herrschaft in Bayern
Bereits seit 1070 regieren – mit
einigen Unterbrechungen – welfische Herzöge in Bayern. Dennoch ist die Position
Heinrichs des Löwen in Bayern alles andere als gesichert. Schon durch Heinrichs
sächsische Herkunft besteht eine Sprachbarriere zwischen den bayerischen
Untertanen und ihrem welfischen Herzog mit seiner mittelniederdeutschen
Muttersprache. Zudem verfügt Heinrich der Löwe in Bayern nur über wenig
Eigengut – ganz im Gegensatz zu den eingesessenen Adelsfamilien wie den
Wittelsbachern, den Vohburgern oder den Andechsern. Vorteilhaft für Heinrich ist
die herausgehobene Rechtsstellung des bayerischen Herzogs. Allerdings sind
damit die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten für das bayerische Herzogsamt
natürlich schon relativ ausgereizt. Auch eine territoriale Expansion ist in
Bayern nicht möglich: Das Herzogtum ist auf allen Seiten von anderen
gefestigten Herrschaften umgeben. Das Herzogtum Sachsen bietet für den
institutionellen und territorialen Herrschaftsausbau insgesamt bessere Möglichkeiten.
Dennoch bemüht sich Heinrich der Löwe auch in Bayern um die Festigung seiner
herzoglichen Stellung.
Heinrich der Löwe und der bayerische Adel
Der Löwe nutzt vor allem die
Landtage als Mittel zur Demonstration seines herzoglichen Rangs. Zentraler
Aspekt dieser Stellung sind die richterlichen Kompetenzen des bayerischen
Herzogs. Doch Heinrichs Herrschaft in Bayern ist durch Phasen langer
Abwesenheit gekennzeichnet, insgesamt hält er sich nur neun Mal im Land auf. Um
dennoch eine einigermaßen effektive Herrschaft realisieren zu können, setzt
Heinrich auf ein System aus Grafschaften: Die Grafen sollen vor Ort als
verlängerter Arm des Herzogs fungieren. Diese Position und die Nähe zum Herzog
ermöglichen einer Reihe von Grafenfamilien den politischen Aufstieg zu einflussreichen
lokalen Herrschaften. In Abwesenheit des Herzogs legen sich die Grafen sogar
eigene Wappen und Siegel zu. Besonders das Amt des Pfalzgrafen erlebt unter
Heinrich dem Löwen eine Blütezeit: Pfalzgraf Otto von Wittelsbach ist als Vertreter
des Herzogs für Rechtsprechung und Friedenswahrung in Bayern zuständig. Als
1180 Heinrich der Löwe abgesetzt wird, erlangt Otto schließlich selbst die
Herzogswürde – auch dank seiner jahrzehntelangen konsequenten Unterstützung
Kaiser Barbarossas. Die bedeutenden bayerischen Adelssippen bleiben jedoch
tendenziell auf Abstand zu Herzog Heinrich dem Löwen. Das zeigt sich nie
offensichtlicher als 1180: Kein bayerischer Adeliger stellt sich auf die Seite
des um seinen Rang kämpfenden abgesetzten welfischen Herzogs.
Heinrich der Löwe und die bayerischen Städte
Besonders als Förderer von
Städten tut sich Heinrich der Löwe in Bayern hervor. Der Historiker Alois
Schmid erkennt eine gezielte „Städtepolitik“ des Löwen: Heinrich habe versucht,
die bayerischen Bischöfe durch die Förderung von „Gegenstädten“ unter Druck zu
setzen. Insgesamt ließen sich so vier Bischofsstädte und ihre jeweiligen
„Gegenstädte“ in Bayern ausmachen: Regensburg und Donaustauf, Augsburg und
Landsberg, Salzburg und Burghausen und selbstverständlich Freising und München.
Rudolf Schieffer hat Einwände gegen die These von eine solchen planvollen
„Städtepolitik“ vorgebracht: Im Fall Münchens habe Heinrich zum Beispiel keine
neue Siedlung gegründet, sondern lediglich eine bestehende ausgebaut. Zudem
habe der Löwe weder München noch einer der anderen Siedlungen überhaupt das
Stadtrecht verliehen. Die Förderung der erwähnten Siedlungen ist wohl weniger
als gezielte antibischöfliche Politik zu deuten, sondern wird vielmehr von zwei
anderen Faktoren bestimmt: Salzgewinnung und Handel. So liegt etwa Burghausen
direkt nördlich von Reichenhall mit seinen Salzvorkommen, wo sich Heinrich 1168
das Erbe der Hallgrafen sichert. München an der Isar und Landsberg am Lech
dienen ihrerseits zur Kontrolle des Handelswegs von Osten nach Westen. Der
Zentralort Bayerns im 12. Jahrhundert ist jedoch Regensburg und dementsprechend
versucht auch Heinrich der Löwe hier seine herzogliche Position auszubauen. Was
im sächsischen Braunschweig gelingt, nämlich der Ausbau der Stadt zur Frühform
einer Residenz, das misslingt in Regensburg. Dies liegt auch am Widerstand
Bischofs Hartwig von Regensburg.
Heinrich der Löwe und die bayerische Kirche
Mit dem Regensburger Bischof
gerät Heinrich schon unmittelbar nach seiner Ernennung zum Herzog von Bayern
aneinander. Als Anlass kommen sowohl die Besetzung einer bischöflichen Burg
(vermutlich Donaustauf) als auch die erwähnten Versuche zur Intensivierung der
herzoglichen Herrschaft in Regensburg in Frage. Jedenfalls entbrennt zwischen Herzog
und Bischof 1161 eine verlustreiche Fehde. Heinrich kann sich schließlich in
Regensburg nicht durchsetzen, schon zu Beginn der 1160er bricht seine Position
in der Stadt zusammen. Dennoch sollte nicht verschwiegen werden, dass die
bayerischen Bischöfe regelmäßig und fast vollständig auf den sieben Landtagen
Heinrichs des Löwen erscheinen, wo sie den Herzog als Richter in Streitfragen anrufen.
Als Förderer von Klöstern kann Heinrich dagegen kaum auftreten, ihm fehlen in
Bayern einfach die nötigen Ländereien. Ganz untätig bleibt er jedoch auch in
diesem Bereich nicht, das beweist eine Urkunde für das Kloster Reichenhall von
1172.
Urkunde Heinrichs des Löwen als Herzog von Bayern für das Kloster Reichenhall von 1172; Quelle: Wikimdia Commons |
Die Bedeutung der Herrschaft Heinrichs des Löwen für Bayern
Insgesamt hat Heinrich der Löwe
also nicht nur mit der Verlegung der Brücke von Föhring nach München seine
Spuren in Bayern hinterlassen. Aber warum wird seine Herzogsherrschaft in
Bayern dennoch in der öffentlichen Wahrnehmung meist darauf beschränkt?
Vielleicht ist eine Ursache im Erfolg der wittelsbachischen Dynastie zu suchen.
Nach der Absetzung Heinrichs des Löwen 1180 wird Otto von Wittelsbach zum neuen
Herzog von Bayern – und steht damit am Beginn der über 800-jährigen Herrschaft
der Wittelsbacher über Bayern, die erst 1918 endet. Unter dem Einfluss des
nachhaltigen Erfolgs der Wittelsbacher hatte es die Erinnerung an den letzten
welfischen Herzog von Bayern naturgemäß schwer, weshalb schon die
mittelalterliche Geschichtsschreibung die Herrschaft des abgesetzten Herzogs
lediglich als Ausgangspunkt für den Aufstieg der Wittelsbacher streift.
Literatur
Ehlers, Joachim: Heinrich der Löwe. Eine Biographie, München 2008.
Kraus, Andreas: Heinrich der Löwe und Bayern. In: Mohrmann,
Wolf-Dieter (Hg.): Heinrich der Löwe. Göttingen 1980, S. 151-214 (=Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung, Heft 39).
Schieffer, Rudolf: Heinrich der Löwe, Otto von Freising und Friedrich
Barbarossa am Beginn der Geschichte Münchens. In: Hechberger, Werner/Schuller,
Florian (Hg.): Staufer & Welfen. Zwei rivalisierende Dynastien im
Hochmittelalter, Regensburg 2009, S. 66-77.
Schmid, Alois: Heinrich der Löwe als Herzog von Bayern. In:
Luckhardt, Jochen/Niehoff, Franz (Hg.): Heinrich der Löwe und seine Zeit.
Herrschaft und Repräsentation der Welfen 1125–1235. Katalog der Ausstellung
Braunschweig 1995. Band 2 Essays, München 1995, S. 173-179.
Schneidmüller, Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung
(819–1252), 2. Aufl., Stuttgart 2014.
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