Herrscher
symbolische Kommunikation
Die Kaiserkrönung Konrads II. und der Streit zweier Erzbischöfe
Juni 08, 2016
Am Ostersonntag des Jahres 1027
erlebt Rom eine der prachtvollsten Kaiserkrönungen des Mittelalters. König
Konrad II., seit 1024 König des Ostfrankenreichs und erster Salier auf dem
Königsthron, wird von Papst Johannes XIX. in einer feierlichen Zeremonie die
Kaiserkrone aufs Haupt gesetzt. Dem glanzvollen Krönungsakt in der alten
Petersbasilika wohnen zahlreiche ranghohe Teilnehmer bei: Neben König Rudolf
III. von Burgund und König Knut dem Großen von England, Dänemark und Norwegen
befinden sich auch der Abt Odilo von Cluny sowie viele Erzbischöfe unter den
Anwesenden. Ausgerechnet zwei Erzbischöfe sorgen durch einen Streit jedoch dafür , dass die Kaiserkrönung fast im blutigen Fiasko endet!
Konrad II. in Rom
Zu Beginn der mehrtägigen
Feierlichkeiten anlässlich der Kaiserkrönung läuft noch alles reibungslos:
König Konrad II. zieht feierlich in Rom ein und wird von den Römern ehrenvoll
empfangen. Am Morgen des 26. März 1027 zieht Konrad dann in einer feierlichen
Prozession zur Petersbasilika, wo der Papst vor der Kirche schon auf ihn
wartet. Papst und König begrüßen sich und Konrad verspricht, den Papst und die
Kirche als Kaiser zu schützen. Daraufhin begibt sich der Papst ins Innere der
Kirche, Konrad soll ihm nachfolgen.
Ein Streit um Rang und Ansehen
Plötzlich ergreift jetzt der
Erzbischof Heribert von Ravenna die rechte Hand des Königs und führt Konrad in
die Kirche. Eigentlich hätte diese ehrenvolle Aufgabe dem Erzbischof von
Mailand zugestanden. Doch mit dem befindet sich der Erzbischof von Ravenna seit
langem im Konflikt. Die Eigenmächtigkeit Heriberts ist ein gezielter Angriff
mit großer politischen Brisanz: Die Gesellschaft des Mittelalters ist streng
nach Rang und Status geordnet. Jeder Herrscher, jeder Fürst, jeder Bischof –
sie alle sind sehr genau darauf bedacht, den von ihnen beanspruchten Rang zu
behaupten. Erzbischof Heribert von Ravenna usurpiert bei der Krönungszeremonie kurzerhand
die Funktion des Mailänder Erzbischofs. So macht er auf symbolische Weise
deutlich, dass in seinen Augen das Erzbistum Ravenna im Rang über der Mailänder
Kirche steht.
Verhärtete Fronten zwischen Ravenna und Mailand
Die Anhänger Erzbischof Ariberts
sind entsetzt – und offenbar zum gewaltsamen Widerstand gegen diese
Herabstufung des Mailänder Erzbischofs bereit. Der Geschichtsschreiber Arnulf
von Mailand berichtet, Aribert habe sofort die Kirche verlassen, um eventuelle
Handgreiflichkeiten zwischen seinen Getreuen und den Anhängern des Erzbischofs
von Ravenna zu verhindern. Gleichzeitig lässt sich hier eine der „Spielregeln“
der mittelalterlichen Politik erkennen: Aribert entfernt sich und demonstriert
damit eindringlich seine Unzufriedenheit. Ein Verbleib in der Kirche käme
dagegen einer implizierten Zustimmung zum Geschehen gleich. König Konrad II.
bemerkt den tumultartigen Auszug von Aribert und seinem Gefolge aus der Kirche
– nun ist es an Konrad, für einen Kompromiss zu sorgen, um die Kaiserkrönung
nicht platzen zu lassen.
Die Reichskrone mit der auch Kaiser Konrad II. gekrönt wurde (Abbildung: Wikimedia Commons) |
Der König in der Zwickmühle
Konrad steht vor einem Problem:
Er muss eine Entscheidung treffen, die beide Erzbischöfe zufrieden stellt und
bei der alle Parteien ihr Gesicht wahren können. Bleibt bei einem der beiden
Erzbischöfe das Gefühl zurück, dass sein beanspruchter Rang nicht genügend
berücksichtigt wurde, so kann das im schlimmsten Fall zu blutigen Kämpfen
führen. Konrad berät sich mit dem Papst und einigen Bischöfen und kommt zu
einer tragfähigen Lösung, die Rücksicht auf den Erzbischof von Mailand nimmt,
denn der ist Konrads wichtigster Verbündeter in Italien.
Drittes Kaisersiegel Konrads II. (Quelle: Wikimedia Commons) |
Konrad findet einen Kompromiss
Konrad entscheidet sich für eine
Wiederholung der Zeremonie: Er begibt sich erneut vor die Kirche und lässt sich
dieses Mal vom Bischof von Vercelli, einem Geistlichen aus Mailand, in die
Basilika geleiten. Auf diese Weise nimmt Konrad Rücksicht auf den Rang seines
Mailänder Verbündeten und ermöglicht so die Fortsetzung der Kaiserkrönung. Dauerhaft
gelöst war der Rangstreit zwischen den Erzbischöfen in Italien damit jedoch
noch nicht: Im Jahr 1047 streiten sich die Erzbischöfe von Mailand und Ravenna
auf der Synode von Sutri um die Sitzordnung. Wieder geht es darum, auf
symbolische Weise den beanspruchten Rang zu behaupten – in diesem Fall kann
sich der Erzbischof von Ravenna durchsetzen. Solche Streitigkeiten und ihre
Lösung sind gute Beispiele für die Bedeutung sowohl von Rang und Ansehen als
auch von symbolischen Handlungen und Gesten im politischen Leben des
Mittelalters. Selbst scheinbar unbedeutende Dinge wie das Halten einer Hand enthielten
im Mittelalter ein erhebliches Konfliktpotential.
Literatur
Wolfram, Herwig: Konrad II.
(990–1039). Kaiser dreier Reiche, München 2000.
Erkens, Franz-Reiner:
Konrad II. (um 990 – 1039). Herrschaft und Reich des ersten Salierkaisers,
Regensburg 1998.
Althoff, Gerd: Spielregeln
der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, 2. Aufl.,
Darmstadt 2014, S. 294-297.
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