König Knut der Große und sein Nordseeimperium

Der Däne Knut der Große gilt als einer der mächtigsten europäischen Herrscher im 11. Jahrhundert. Innerhalb von wenigen Jahren st...

Der Däne Knut der Große gilt als einer der mächtigsten europäischen Herrscher im 11. Jahrhundert. Innerhalb von wenigen Jahren stieg der Spross aus dem dänischen Herrscherhaus Jelling zum Herrscher eines Großreichs auf, das heute als Nordseeimperium bekannt ist. „König von ganz England und Dänemark, der Norweger und einiger Schweden“ – so bezeichnete sich Knut der Große selbst in einem Brief im Jahr 1026.

Doch wie gelang dem dänischen Königssohn dieser kometenhafte Aufstieg? Wie herrschte er mit den Mitteln seiner Zeit über dieses Großreich? Wie konnte der Däne als Herrscher von England akzeptiert werden? Und wieso ging sein Reich bald wieder unter? Diesen Fragen wollen wir in diesem Blog-Artikel nachgehen.

Darstellung von Knut dem Großen in einer Handschrift aus dem 13. Jahrhundert.
(Abbildung: Staats- und Universitätsbibliothek Bremen, msa 0033, Sächsische Welchronik,fol.71r.)

Ein dänischer Königssohn mit großen Ambitionen 

Knut wurde um 995 als Sohn des dänischen Königs Sven Gabelbart geboren. Sein Großvater Harald Blauzahn hatte sich als erste König Dänemarks zum Christentum bekannt – auch für Knut sollte die Förderung des Christentums ein wichtiges Element seiner Herrschaft sein. Gleichzeitig konnte Knut für sich in Anspruch nehmen, der Nachfahre eines Königsgeschlechts zu sein, das das dänische Königreich geeint hatte. Glaubt man Thietmar von Merseburg, dann war Knuts Mutter die Tochter des polnischen Herzogs Mieszko I.

Erste gesicherte Nachweise auf Knuts Leben stammen aus dem Sommer 1013: In diesem Jahr war Knut an der Invasion seines Vaters Sven Gabelbart in England beteiligt. Diese Invasion stand in einer langen Reihe von Raubzügen der skandinavischen Wikinger von denen im frühen Mittelalter zu unterschiedlichen Zeiten praktisch ganz Europa betroffen war.

In der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gab es auch die ersten Überfälle auf die britischen Inseln. Als erster großer Überfall gilt heute die Plünderung des Klosters Lindisfarne im am 8. Juni 793. Zunächst kamen die Wikinger nur im Sommer, dann überwinterten die Krieger auch in England und schließlich siedelten Dänen und Norweger sich sogar in England an wo in Form de Danelag sogar ein eigener skandinavischer Herrschaftsbereich entstand. In langen und blutigen militärischen Auseinandersetzungen mit den Wikingern behielten die Angelsachsen Mitte des 10. Jahrhunderts zwar die Oberhand, doch die Raubzüge endeten nicht.

Bereits 994 hatte Sven Gabelbart zusammen mit Olav Tryggvason erfolglos London belagert und den Südosten Englands geplündert. Als er dann 1013 zusammen mit Knut wieder gen England aufbrach, ging es ihm nicht mehr nur ums Plündern, sondern auch um die Eroberung von Land. Nach schnellen militärischen Erfolgen der Dänen musste der angelsächsische König Aethelred in die Normandie fliehen – die Kontrolle über England fiel damit de facto an Sven. In dieser Zeit tritt Knut als Befehlshaber der Flotte in Gainsborough in Erscheinung während Sven seine Herrschaft konsolidierte.

Knuts Kampf um das Erbe seines Vaters und die englische Krone

Allzu lang dauerte Svens Herrschaft jedoch nicht: Er starb bereits am 3. Februar 1014. In Dänemark folgte ihm Harald als König – doch in England war die Lage weniger eindeutig. Zwar wurde Knut von der skandinavischen Bevölkerung des Danelags als neuer Herrscher über England gefordert, doch der Witenagemot – die Versammlung der wichtigsten Fürsten und Großen im angelsächsischen England – erkannte Knut nicht als Herrscher an, sondern rief Aethelred zurück auf die Insel.

Für den Moment blieb Knut nichts anderes übrig als sich nach Dänemark zurückzuziehen. Dort stimmte er sich zunächst mit König Harald ab und sammelte ein neues Heer mit dem er im Sommer 1015 erneut Richtung England in See stach. Unterstützt wurde er dabei wohl auch von Truppen seines Onkels Herzog Boleslaw I. von Polen.

Es folgte ein militärischer Konflikt zwischen Knut und dem am 23. April 1016 erhobenen König Edmund II. Ironside, dem Sohn von Aethelred. Es kam zu mehreren Schlachten und den größten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Angelsachsen und Wikingern seit der Zeit Alfreds des Großen. Mit der Eroberung von Mercia und Northumbria feierte Knut bald erste Erfolge.

Das Momentum war von nun an immer stärker auf Knuts Seite: Er unterwarf Ende 1015 Wessex, zeitgleich schloss sich mit Eadric Streona der Ealdorman von Mercia dem dänischen Eroberer an. Nach erfolgloser Belagerung von London (wie König Edmund Ironside sich verschanzt hatte) zog Knut plündernd durch Essex und Mercia.

Die Entscheidung fiel am 18. Oktober 1016 in der Schlacht von Assandun, die mit einer vernichtenden Niederlage der Angelsachsen endete. Nun kam es zu Verhandlungen zwischen Knut und Edmund, die sich die Herrschaft über England entlang der Themse aufteilten: Während Knut die Gebiete nördlich der Themse erhielt, sollte Edmund über den Süden und London herrschen. Nach seinem Tod sollte Knut das Erbe auch in diesem Teil Englands antreten.

Dieses Konstrukt musste seine Tragfähigkeit nicht lange unter Beweis stellen. Tatsächlich starb Edmund bereits am 30. November 1016 – Knut war damit schneller als gedacht Alleinherrscher. Bereits an Weihnachten 1016 ließ er sich zum König von England krönen.

Konsolidierung der Herrschaft über England

Als frisch gekrönter englischer König sah sich Knut mit einer extrem schwierigen Ausgangslage konfrontiert: Das Land hatte unter den jahrelangen Plünderungen und den militärischen Konflikten der letzten Monate enorm gelitten und die Führungsschicht war zerstritten zwischen Unterstützern des neuen skandinavischen Herrschers und Anhängern der angelsächsischen Dynastie. Knuts Anspruch auf dem Thron basierte dabei lediglich auf seinem Recht als Eroberer und war entsprechend anfechtbar. Erschwerend kam hinzu, dass Knuts Heer aus bezahlten Kriegern im Jahr 1018 größtenteils nach Skandinavien zurückkehrte.

Dennoch gelang es Knut innerhalb von kürzester Zeit, die Kontrolle über England zu übernehmen und seine Autorität sehr effizient durchzusetzen. Er war darin sogar so erfolgreich, dass er England schon bald Richtung Dänemark verlassen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass seine Herrschaft auf der Insel sofort kollabierte. Diese erstaunliche Stabilisierung und Konsolidierung Knuts gelang ihm durch eine Reihe von klugen Entscheidungen.

Ein erster wichtiger Schritt war die Abschaffung des sogenannten Danegelds, das die Wikinger bisher jährlich von den Angelsachsen gefordert hatten. Die letztmalige Zahlung dieses Schutzgeldes nutzte Knut, um seine Söldner auszuzahlen. Ersetzt wurde das Danegeld bald darauf jedoch durch ein Wehrgeld mit dem Knut seine Flotte und sein stehendes Heer aus circa 3000 Berufskämpfern – den sogenannten Huskarls – finanzierte.

Gleichzeitig setzte Knut auf eine konsequente Aussöhnungspolitik und bemühte sich um eine Integration von Wikingern und Angelsachsen bei völliger Gleichberechtigung der beiden Volksgruppen, die beide ihre gewohnten Rechtsordnungen beibehalten konnten.

An Knuts Hof dominierten die Angehörigen aus skandinavischen Adelsfamilien, doch es gab auch Angelsachsen, die sowohl unter König Aethelred als auch unter Knut eine bedeutende Rolle am Hof einnahmen. Dabei handelte es sich um die Angehörigen einer Adelssippe, die gegen Ede der Herrschaft Aethelreds durch eine Intrige vom Königshof verbannt worden waren und so den Dynastiewechsel als neue Chance nutzen konnten, um in ihren alten Rang zurückzukehren.

Ohnehin hatten die Autorität und das Ansehen Aethelreds unter dem angelsächsischen Adel durch die erfolglose Abwehr der Skandinavier ziemlich gelitten. Das erleichterte vielen Großen den Seitenwechsel zu Knut. Für den neuen König waren diese Großen ein wichtiges Bindeglied zur angelsächsischen Verwaltung und Herrschaftsorganisation deren Aufteilung des Herrschaftsgebietes in mehrere Grafschaften von Knut übernommen wurde.

So blieben die lokalen politischen Strukturen erhalten – auch das erleichterte Knut die Konsolidierung seiner Herrschaft. Zwar wurden aus dem angelsächsischen Titel Ealdorman der skandinavische Titel Earl, doch Rolle und Funktion dieser lokalen Herrschaftsträger blieben gleich. Knut stabilisierte seine Herrschaft, indem er loyale Anhänger einsetzte. Im Danelag dagegen ließ Knut die Position des Earls vakant, um hier nicht Gefahr zu laufen, sich selbst einen möglichen zukünftigen Rivalen zu schaffen, der die Machtbasis des Danelags ausnutzen könnte, um sich gegen Knut zu erheben. Kent ließ er vom Erzbischof von Canterbury verwalten und über die Bevölkerung Londons sollte ein neu installierter königlicher Amtsträger namens Staller kontrollieren.

Die Etablierung einer stabilen lokalen Herrschaft folgte dabei keinem umfassenden politischen Konzept des neuen Königs, sondern war geprägt von meist lokal begrenzten Reaktionen auf politische Krisen oder Herausforderungen.

Wo es angebracht war, griff Knut aber auch erbarmungslos durch: Die potentiellen Rivalen aus der Königsdynastie von Wessex ließ er ermorden oder vertreiben – so kam es dass die Söhne von Aethelred in das Herzogtum Normandie flohen. Ein Umstand, der gut 50 Jahre später eine wichtige Rolle ihm Rahmen der Normannischen Eroberung Englands im Jahr 1066 spielen sollte. Und auch einige Earls, die in der Zeit der Invasion von 1015 zu Knut übergelaufen waren, überlebten die ersten Jahre von Knuts Herrschaft nicht. So zum Beispiel der bereits genannte Eadric Strona: Er wurde an Weihnachten 1017 in London auf Anordnung von Knut getötet – offenbar hatte Eadric den neuen König nicht nachhaltig genug von seiner unumschränkten Loyalität überzeugen können.

Zwei außergewöhnliche Ehen

Entscheidend für Knuts Herrschaftskonsolidierung war seine Heirat mit Emma von der Normandie, der Witwe Aethelreds. Dieser erstaunliche Schritt trug maßgeblich dazu bei, Knuts Anspruch auf den englischen Thron abzusichern und sich die Unterstützung der bisherigen Führungsschicht zu sichern. Emma nahm im Herrschaftsübergang vom Haus Wessex auf Knut eine entscheidende Scharnierfunktion ein: Sie war nicht nur die Ehefrau zweier englischer Könige, sondern auch die Mutter zweier weiterer englischer Könige: Von Hardiknut (König 1040–1042) und Edward dem Bekenner (König 1042–1066).

Emma stammte aus der Familie der Herzöge von der Normandie, ihr Bruder war Herzog Richard II. (996–1026). Ihre Ehe mit Aethelred war Teil einer Versöhnung zwischen den Normannen und dem angelsächsischen Königshaus. Außerdem bestand zwischen den beiden Herrscherhäusern damit fortan eine verwandtschaftliche Beziehung – auch das sollte im Jahr 1066 nochmal wichtig werden. Als Knuts Ehefrau trug Emma dann entscheidend dazu bei, eine Verbindung zwischen dem neuen Herrscher und der bisherigen Elite herzustellen. Da störte es Knut auch nicht, dass er bereits mit Ælfgifu von Northampton verheiratet war – er Ælfgifu auch nach seiner Heirat mit Emma noch als Frau.

Über Emmas Leben sind wir sehr gut informiert, denn mit dem Encomium Emmae reginae ist ein Text überliefert, der als Englands ältestes erhaltenes Werk gilt, das komplett und ausschließlich den Taten einer politisch agierenden Frau gewidmet ist. Darin werden Emmas Handlungen – die auch für Zeitgenossen sicherlich erläuterungsbedürftig war – im Rückblick gerechtfertigt.

Königin Emma erhält das Werk überreicht.
(Abbildung: British Library Add MS 33241, Encomium Emmae reginae, entstanden im11. Jahrhundert, fol. 1v.)


Ein weiterer Coup im Bereich der Heiratspolitik gelang Knut im Jahr 1025: Es gelang ihm, eine Hochzeit zwischen seiner Tochter Gunhild und dem Sohn des ostfränkischen Königs und späteren römisch-deutschen Kaiser Konrad II zu arrangieren.

In welche Sphären sich Knut mit diesem Heiratsprojekt vorwagte wird klar, wenn man sich bewusst macht, dass Konrad zeitgleich auch eine Gesandtschaft an den Kaiserhof in Byzanz entsandte, um – ganz der ottonischen Tradition folgend – eine Kaisertochter für seinen Sohn Heinrich als Ehefrau zu finden.

Dieser Plan scheiterte und so kam es zu Pfingsten 1035 in Bamberg zur offiziellen Verlobung zwischen Heinrich und Gunhild. Ein Jahr später fand die Hochzeit in Nimwegen statt. Gunhilds früher Tod im Jahr 1038 machten eine intensivere Verbindung zwischen dem salischen Herrscherhaus und Knuts Familie dann jedoch einen Strich durch die Rechnung.

Knut und die englische Kirche

Auch die Kirche war ein wichtiger Faktor bei der Stabilisierung von Knuts Herrschaft. Es sind mehr Kontakte zwischen Knut und der Kirche überliefert als für jeden anderen König der angelsächsischen Zeit. Knut schenkte der Kirche Land und machte kostbare Stiftungen. Daneben ließ er neue Klostergründungen veranlassen und förderte Kirchenneubauten.

Eine gewisse Frömmigkeit darf man Knut sicherlich nicht absprechen und auch seine Verantwortung gegenüber seinen Vorfahren, die das Christentum in Dänemark eingeführt und gefördert hatten, wird ein Antrieb für ihn gewesen sein. Darüber hinaus entstanden aus dem intensiven Kontakt mit der Kirche – und natürlich insbesondere mit den beiden Erzbischöfen von Canterbury und York – aber auch beträchtliche politische Vorteile.

Dabei baute Knut seinen Einfluss auf die Kirche mit den Jahren immer weiter aus indem er zunächst das Vertrauen der beiden betagten englischen Erzbischöfe gewann, die beide bereits über 50 Jahre alt waren. Als beide im Jahr 1023 starben, konnte Knut bereits eigene Parteigänger als neue Erzbischöfe erheben lassen. Spätestens in den 1030ern griff der König dann immer selbstbewusster auch in innerkirchliche Angelegenheiten ein.

Das Vertrauen des Erzbischofs von Canterbury zu gewinnen fiel Knut dabei von Anfang an nicht schwer: König Aethelred hatte das Erzbistum Canterbury nicht besonders gefördert und so könnte Knut sich schnell als frommer Unterstützer positionieren indem er Stiftungen machte und die Rechte und Freiheiten des Erzbistums bestätigte. Auch die Überführung der Gebeine des Heiligen Ælfheah aus London nach Canterbury bedeuteten für Canterbury sowohl einen Gewinn an Prestige als auch steigende Einnahmen durch Pilger.

Auch zu Erzbischof Wulfstan von York baute Knut schnell eine enge Beziehung auf. Wulfstan wirkte ab 1018 aktiv an den Gesetzestexten mit, die Knut für England verfügte. Es handelt sich dabei um das umfangreichste Gesetzeswerk aus der angelsächsischen Zeit und war eine Sammlung von Gesetzen aus den angelsächsischen Königreichen, Texten aus dem kanonischen Recht und Texte aus der Feder von Wulfstan persönlich. Diese Abbildung zeigt die älteste erhaltene Ausgabe der Gesetze Knuts, die auf einer Versammlung in Winchester im Jahr 1020 oder 1021.

Eine Seite aus dem Gesetzeswerk Knuts.
(Abbildung: British Library, Cotton MS Nero A I, entstanden 1020/21, fol. 13r.)


Diese enge Anlehnung an die beiden Erzbischöfe hatte noch einen weiteren Grund: Denn Knut fiel eine Annäherung und Aussöhnung mit den großen Klöstern in Ely, Ramsey und Peterborough schwer. Männer dieser Klöster hatten ihr Leben in der Schlacht von Assandun im Kampf gegen Knuts Krieger gelassen und auch zur Königsfamilie von Aethelred hatten die Klöster stets ausgezeichnete Beziehungen gepflegt. Auch hier war die Heirat mit Emma ein wichtiger Faktor: Sie unterhielt enge persönliche Beziehungen zu Abt Ælfsige von Peterborough, der deshalb auch am Hof Knuts als Zeuge in Urkunden nachzuweisen ist.

Die zweite Krone: Knut als König von Dänemark

Im Jahr 1018 starb mit König Harald II. von Dänemark der ältere Bruder von Knut – dieser bestieg damit auch den Königsthron in Dänemark und installierte seinen Schwager Ulf Jari als seinen Stellvertreter in Dänemark.

Auch die Herrschaft in seinem Heimatland musste Knut zunächst militärisch durchsetzen: Denn sowohl Anund Jakob von Schweden und Olav II. Haraldsson von Norwegen meldeten Ambitionen auf die dänische Königskrone an. Die Schlacht an der Helgea Mitte der 1020er endet mit Sieg Knuts über Norweger und Schweden.

Dänemark hatte mit Knut einen neuen energischen Herrscher, der die königliche Autorität und die Verwaltung ausbaute. Dabei diente die Verwaltung Englands als Blaupause. Auch die Einnahmen aus England nutze Knut, um Bauprojekte in Dänemark zu finanzieren. Außerdem brachte er aus England gebildetes weltliches und kirchliches Personal nach Dänemark. Viborg wurde von Knut zum urbanen Zentrum Dänemarks ausgebaut.

Knuts Herrschaft über Dänemark ruhte ebenfalls auf den Schultern lokaler Adeliger, die seine Oberherrschaft akzeptierten und dafür lokale Freiheiten genossen. Wo dieses System nicht funktionierte – zum Beispiel im östlichen Dänemark – da wurden die aufständischen Adeligen von Knut gnadenlos aus ihren Machtpositionen entfernt. In Skåne muss Knut deshalb die königliche Autorität vermehrt selbst durchsetzen und baut deshalb Lund zum lokalen urbanen Verwaltungszentrum aus.

Knuts Reise nach Rom

Wie gut Knut mit der europäischen Elite seiner Zeit vernetzt war, zeigt seine Reise nach Rom, die er anlässlich der Kaiserkrönung von Konrad II. an Ostern 1027 unternahm. Die Krönung zählt aufgrund ihrer hochrangigen Teilnehmer als eine der glanzvollsten des gesamten Mittelalters – anwesend waren neben Knut unter anderem König Rudolf III. von Burgund und Abt Odilo von Cluny. Kaum verwunderlich also, dass es kurz vor der Krönung zum Rangstreit zwischen zwei Erzbischöfen kam.

Für Knut war die Reise nach Rom darüber hinaus auch eine Pilgerreise mit der er sich von seinen Sünden reinigen wollte. Daneben verhandelte Knut mit Papst, Kaiser und dem König von Burgund über Reiseerleichterungen und Zollfreiheiten für Pilger und Händler aus England und Dänemark. Diese Verhandlungen auf Augenhöhe zeigen, dass Knut in Rom als vollwertiges Mitglied des europäischen Hochadels agieren konnte.

Für Knuts Selbstdarstellung war die Romreise ein durchschlagender Erfolg aus der er enorm gestärkt hervorging: Er hatte sich als erfolgreicher Staatsmann und Diplomat auf einer Ebene mit den größten Herrschern seiner Zeit bewegt, hatte sich als gerechter christlicher Herrscher für die Belange der Pilger eingesetzt und sich so als Kämpfer gegen Ungerechtigkeiten präsentiert.

Krone Nummer Drei: Knut als König von Norwegen

Direkt nach seiner Rückkehr aus Rom griff Knut im Jahr 1028 auch nach der norwegischen Krone. Dem Invasionsheer Knuts hatte Olaf Haraldsson nichts entgegenzusetzen, er trat sofort ab. Geholfen hatte Knut dabei sicherlich ein zerrüttetes Verhältnis zwischen dem König und seinen Großen, die Knut – ähnlich wie in England – zum Teil auf seine Seite ziehen konnte.

Anders als in England oder Dänemark war Knuts Herrschaft in Norwegen stets umstritten. Seine Herrschaft galt schon unter Zeitgenossen als eine schlechte Zeit für Norwegen mit harter Besteuerung, Rebellionen und bewaffneten Konflikten.

Auch die Einbindung der norwegischen Adeligen gelang nicht ähnlich gut wie in Knuts anderen Reichsteilen – dafür blieb die norwegische Führungsschicht zu reich und mächtig. Zudem stellten Óláfr Haraldsson und sein Erbe Magnus weiterhin eine Bedrohung für Knuts Herrschaft dar, denn sie boten den norwegischen Adeligen stets eine Alternative zu Knut. Auch zur Gründung von urbanen Zentren oder der Einführung einer Verwaltung nach englischem Vorbild kam es in Norwegen nie.

Insgesamt blieb die Expansion nach Norwegen für Knut damit– trotz des Königstitels – ein Verlustgeschäft. Warum ließ Knut sich dann aber überhaupt auf dieses Unternehmen ein?

Eine oft angenommene akute Bedrohung von Knuts Herrschaft über Dänemark durch Óláfr Haraldsson gab es nicht. Wahrscheinlich wird man Knuts Expansion im Kontext seiner Romreise verstehen müssen: Knut ging es vielleicht mehr um Prestige und eine neue imperiale Herrschaftsideologie, die Knut auf seiner Reise nach Rom und durch den Kontakt mit dem salischen Kaisertum entwickelt hatte. Der Historiker Timothy Bolton fasst Knuts Motivation prägnant so zusammen: „It seems that we should see Norway as a costly jewel in his perceived imperial crown.“

Die einzige zeitgenössische Abbildung von König Knut – zusammen mit seiner Königin Emma. Das Paar steht als Stifter neben dem Altar von Winchester.
(Abbildung: British Library, Stowe M 944, Lieber vitae, entstanden ab 1031, fol. 6r.)

Die Randzonen des Nordseeimperiums: Wales, Schottland und Irland

Neben England, Dänemark und Norwegen als den Kernländern seines Nordseeimperiums war Knut auch in Wales, Schottland und Irland politisch involviert. Die angelsächsischen Könige übten seit 150 Jahren eine Art Vorherrschaft auf den britischen Inseln aus, an die Knut nun anknüpfte. Dabei darf man sich diese Vorherrschaft eher als eine Art von engen und lockeren Allianzen mit den lokalen Fürsten in Wales und Schottland vorstellen während Irland außerhalb ihres Einflussbereichs lag.

Generell ist das Jahr 1029 entscheidend für Knuts Beziehung zu diesen Regionen der britischen Inseln. Vor 1029 gab es überhaupt keine Kontakte nach Schottland und nur lose diplomatische Kontakte zwischen Knut und König Rhydderch von Wales. Nach Irland gab es wohl Kontakte zwischen Knut und dem Wikingerkönig Sihtric Silkbeard von Dublin (989–1036), die sich erst ab 1030 intensivierten.

Zu einer intensiveren herrschaftlichen Durchdringung von Wales und Schottland kam es ebenfalls erst ab 1030 als Knut nun auch persönlich in diese Regionen reiste und sich in die lokale Politik einmischte. Dieser Richtungswechsel stand wohl in Verbindung zur Eroberung Norwegens: Knut wollte sich so wohl ein politisches Netzwerk an Beziehungen nach Schottland und Dublin aufbaut, um mögliche von dort ausgehende Bedrohungen für seine Herrschaft über Norwegen zu unterdrücken – schließlich herrschten dort ebenfalls Wikingerfürsten mit engen Beziehungen nach Norwegen.

Das Ende des Nordseeimperiums

König Knut der Große starb am 12. November 1035 und wurde in der Kathedrale von Winchester bestattet. Seine beiden Söhne traten sein politisches Erbe an: Hardiknut als König von Dänemark und Harald Hasenfuß als König von England. Norwegen ging dagegen sofort an Magnus verloren.

Nach Haralds Tod im Jahr 1040 übernahm Hardiknut auch die Königsherrschaft auf der Insel. Als Hardiknut nur zwei Jahre später ebenfalls starb, fiel die englische Königskrone in Person von Eduard dem Bekenner wieder an die alte angelsächsische Herrscherfamilie zurück. Dänemark fiel über einige Umwege an Knuts Neffen Sven Estridsson, der die Dynastie der Estriden begründete.

Knuts Herrschaft in England und Dänemark gilt in beiden Ländern als eine Zeit des Friedens und des wirtschaftlichen Aufschwungs. Unter Knut fanden die Angelsachsen und die Skandinavier in England zu einem gemeinsamen Herrschaftsverbund zusammen und die Zersplitterung in Heptarchie und Danelag wurde überwunden.

Dennoch war das Nordseeimperium nur ein sehr kurzlebiges Konstrukt: Nach dem Tod Knuts und dem frühen Ableben seiner Söhne zerfiel das Reich Knuts schnell wieder in seine Einzelteile. In den Jahren von Knuts Herrschaft war England so eng wie nie wieder an die skandinavische Welt gebunden – das sollte sich 1066 mit der Normannischen Eroberung radikal ändern. England drehte damit sein Gesicht und wand sich dem romanischen Westeuropa zu. Damit war Knuts Erbe in England endgültig vernichtet.

Literatur zu König Knut dem Großen und dem Nordseeimperium

Bolton, Timothy: The Empire of Cnut the Great. Conquest and the Consolidation of Power in Northern Europe in the Early Eleventh Century, Leiden 2009 (=The Northern World 40).
Lawson, Michael Kenneth: Cnut: England’s Viking King, Stroud 2004.
Lawson, Michael Kenneth: Cnut. The Danes in England in the early eleventh century, London 1993.
Rumble, Alexander R. (Hg.): The Reign of Cnut. King of England, Denmark and Norway, London 1994. 

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